Einheitsbrei vermeiden

Wullstein-Symposium über ausgewogene Ernährung bei Dysphagie

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Foto: Dr. Kraus ©Daniel Peter

„Das erste Schlucken beginnt in der zwölften Schwangerschaftswoche“, erklärt Dr. Fabian Kraus, Geschäftsführender Oberarzt des interdisziplinären Zentrums für Stimme und Schlucken (IZSS) am Universitätsklinikum Würzburg. Zwischen dem zehnten und zwölften Lebensmonat könnten Kinder kauen und zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr fände die vollständige Entwicklung des physiologischen Schluckmusters statt, so der Organisator des Wullstein-Symposiums 2019, das im November letzten Jahres in Würzburg stattfand.

Schlucken sichert die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und damit letztlich das Überleben. Ist dieser Vorgang gestört, spricht die Medizin von Dysphagie (Schluckstörungen). „Die Gründe hierfür können sowohl vielfältig als auch kombiniert sein“, sagt Dr. Kraus. Altersabhängige Veränderungen fänden sich ihm zufolge in allen Schluckphasen. Doch bei Senioren gelte es, genauer hinzusehen. Denn die Zahl der Menschen mit Presbyphagie, einer durch degenerative Veränderungen im Alter ausgelöste Schluckstörung (etwa durch Zahnverlust, nachlassende Muskelkraft, verlangsamter Schluckreflex und ähnliches), ist groß.

Kraus zufolge seien 14 Prozent aller geriatrischen Patienten betroffen, bis zu 50 Prozent der Bewohner in Pflegeeinrichtungen. Besonders hoch sei der Anteil bei Senioren in der Klinik. Hier seien es bis zu 70 Prozent. Als Folge einer Dysphagie müsse beispielsweise auch die Wirksamkeit von Medikamenten infrage gestellt werden. Letztlich, so der Arzt, könne hieraus eine erhöhte Mortalität resultieren. Was kann man dagegen tun?

„Viel!“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Lisa Schiffmann vom Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC). „Denn eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist auch bei Dysphagie möglich.“ Ihres Erachtens sei die Anpassung der Kost an die individuelle Kau- und Schluckstörung von zentraler Bedeutung. Das kann von Stufe eins, bei der die Nahrung nur angereichert wird, bis hin zu Stufe sieben reichen, die einer totalen parenteralen Ernährung (TPE) entspricht – will heißen, sämtliche Nährstoffe werden intravenös verabreicht. Dazwischen gäbe es noch viele Varianten.

Grundsätzlich empfiehlt die Ernährungsexpertin „wertige Kombinationen“, wie Kartoffel und Ei, Kartoffel und Milch oder auch Getreide und Hülsenfrüchte, um den Eiweißbedarf des Körpers zu decken. Um ausreichend Kalorien aufzunehmen, rät sie zu Fruchtsäften und Süßgetränken, Bananenmilch oder Trinkschokolade sowie grundsätzlich fetthaltigen Lebensmitteln wie Seefisch, Quark oder Nüssen. Zur Anreicherung von Speisen könne außerdem Öl, Butter, Sahne, Reibekäse oder Avocado verwendet werden.

Genuss und Aussehen sollten bei alledem nicht zu kurz kommen, betont Schiffmann. Doch was ist, wenn ein Patient Nahrung nur noch in pürierter Form zu sich nehmen kann? Es darf keinen „Einheitsbrei“ geben. Die Expertin hat hier einen einfachen, wie wirkungsvollen Tipp: Verschiedene Förmchen oder Schälchen, die das optische Erlebnis steigern und so die Lust am Essen wecken. Denn das Auge isst auch im Alter noch mit.

Das Motto „mit allen Sinnen genießen“ sollte auch in dieser Lebensphase hochgehalten werden.

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