Ein lebenslanger Begleiter

Gastroenterologe Professor Wolfgang Scheppach über die chronischentzündliche Darmkrankheit Morbus Crohn

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Was passiert bei Morbus Crohn im Darm und wie kann man sich sicher sein, dass man diese oder jene chronisch entzündliche Darmerkrankung hat, an denen schätzungsweise 400.000 Menschen in Deutschland leiden¹. Was kann man tun, wenn sich herausstellt, dass es Morbus Crohn ist, der bis dato ja nicht heilbar ist? Über all diese Fragen und noch ein paar mehr hat sich das Gesundheitsmagazin Lebenslinie mit dem Magen-Darm-Spezialisten Professor Dr. Wolfgang Scheppach, Chefarzt der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie und Rheumatologie am Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital, unterhalten.

Lebenslinie (LL): Was ist Morbus Crohn und was passiert bei Morbus Crohn im Darm?
Prof. Dr. Wolfgang Scheppach (WS): „Auch 89 Jahre nach seiner Erstbeschreibung durch Crohn, Ginzburg und Oppenheimer weiß man leider immer noch nicht, was Morbus Crohn ist. Man beobachtet Immunphänomene und eine Anhäufung von Botenstoffen der Entzündung in den befallenen Darmabschnitten und im Blut; dennoch bleibt unklar, wodurch der Prozess ausgelöst wird. Aktuell wird die Rolle der Mikrobiota des Darms bei der Entstehung von Morbus Crohn diskutiert. Demgegenüber weiß man, dass bei unbehandeltem Crohn die schlimmer werdende Entzündung zur Zerstörung der Darmstrukturen führt. Dies resultiert in Engstellen mit dem Risiko des Darmverschlusses, in Fistel- und Abszessbildung sowie Organschäden außerhalb des Darms. Um die Kaskade der Komplikationen zu unterdrücken, muss man behandeln, auch wenn man die zugrunde liegende Ursache letztendlich nicht kennt.“

LL: Welche Symptome kann die entzündliche Darmerkrankung auslösen?
WS: „Ein Hauptsymptom sind Durchfälle. Dauern diese länger als vier Wochen an, wird die häufiger auftretende Darminfektion unwahrscheinlich. Infolge der Schleimhautbeschädigung durch Morbus Crohn kann es ferner zu Darmblutungen kommen. Wird die Nahrungspassage behindert, sei es durch Schwellung der Darmwand oder Narbenbildung, treten wellenförmige Schmerzen auf, vorwiegend im Unterleib. Zusammenfassend sollte man bei chronischen Symptomen dieser Art, die länger als vier Wochen anhalten, den Hausarzt aufsuchen. Leider ist die durchschnittliche Zeitspanne zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung meist immer noch länger als ein halbes Jahr!“

Dr. Scheppach ©KWM

LL: Wie wird Morbus Crohn diagnostiziert?
WS: „Bei Crohn-Verdacht sollten Entzündungswerte im Blut (weiße Blutkörperchen, C-reaktives Protein) und Stuhl (Calprotectin) bestimmt und sollte der gesamte Darmtrakt mit bildgebenden Verfahren untersucht werden. Das Diagnostikprogramm umfasst eine Spiegelung des Magens mit Zwölffingerdarm und des Dickdarms. Diese beiden Untersuchungen können als ̦Doppelpack‘ am gleichen Termin ambulant durchgeführt werden. Der dazwischen liegende Dünndarm mit seiner Länge von circa fünf Metern wird bestrahlungsfrei mittels Magnetresonanztomographie untersucht. Mit diesem relativ schlanken Programm kann der Gastroenterologe eine Aussage treffen.

LL: Kann man sich bei der Diagnose sicher sein?
WS: Nachteilig ist, dass es keinen für den Morbus Crohn beweisenden Befund gibt. Vielmehr setzt sich die Diagnose mosaiksteinartig aus Befallsmuster, endoskopischem Schleimhautaspekt, feingeweblichem Befund und anderen Daten zusammen.“

LL: Morbus Crohn ist bis dato nicht heilbar. Wie sehen die Therapiemöglichkeiten aus (konservativ und operativ)?
WS: „Einmal diagnostiziert, ist der Morbus Crohn ein lebenslanger Begleiter. Bei konsequenter medikamentöser Behandlung kann jedoch der Krankheitsverlauf in den allermeisten Fällen positiv beeinflusst werden. Die überschießende Entzündung bei Crohn wird mit die Immunantwort unterdrückenden Medikamenten behandelt. Den schnellsten Wirkungseintritt beobachtet man bei Kortisonpräparaten, die wegen diverser Nebenwirkungen wie beispielsweise dem Knochenabbau nicht langfristig eingesetzt werden sollten. Bei chronischem Verlauf sollte daher zeitnah auf ein kortisonfreies Immunsuppressivum umgestellt werden. Bei drohenden oder eingetretenen Komplikationen des Morbus Crohn ist nach wie vor die Mitwirkung des Chirurgen notwendig. Er kann etwa bei narbigen Darm-Engstellen die Nahrungspassage durch sparsames Ausschneiden wiederherstellen. Geheilt werden kann der Morbus Crohn durch die Operation allerdings nicht; es bedarf in der Regel danach weiterhin einer ergänzenden medikamentösen Behandlung.“

LL: Welche Ursachen und Risikofaktoren kennt man bei Morbus Crohn?
WS: „Wie einleitend betont, kennt man die Ursachen des Morbus Crohn weiterhin nicht. Ein beeinflussbarer Risikofaktor ist das Zigarettenrauchen, welches das Beschwerdebild deutlich verschlimmert. Umgekehrt formuliert, macht sich das Einstellen des Rauchens so stark bemerkbar, wie wenn man ein zusätzliches entzündungshemmendes Medikament einnimmt. Nicht beeinflussbar ist hingegen die bei einer Minderheit von Patienten bestehende genetische Veranlagung.“

LL: Welche Rolle spielt die Ernährung?
WS: „Die Rolle der Ernährung bei Morbus Crohn wird von den Patienten gemeinhin überschätzt. Die frühere Vorstellung, eine zuckerreiche Ernährung könne den Morbus Crohn auslösen, hat sich nicht bestätigt. Auch eine fischreiche Diät, die aufgrund des Gehalts an Omega-3-Fettsäuren mäßig entzündungshemmend wirkt, kann eine hochwirksame medikamentöse Therapie nicht ersetzen. Eine wichtige praktische Empfehlung ist, beim Vorliegen von Engstellen solche Nahrungsbestandteile zu meiden, welche zur mechanischen Verlegung führen könnten, wie etwa Tomaten- oder Paprika­schalen, Pilze oder Blattsalate. Relevante mechanische Engstellen sollten natürlich der operativen Therapie zugeführt werden.“

LL: Welche Rolle spielt der Lebensstil generell?
WS: „Auf die Rolle von Zigarettenrauchen und Ernährung wurde bereits eingegangen. Wünschenswert wäre ein ausgeglichener und ruhiger Lebensstil ohne Stressoren; wir wissen jedoch alle, dass dies ein frommer Wunsch ist. Experten sind sich einig, dass belastende Lebensereignisse und psychologischer Stress nicht ursächlich für die Krankheitsentstehung sind. Allerdings können sie sich auf den Krankheitsverlauf negativ auswirken. Umgekehrt kann eine hohe Krankheitsaktivität mit vermehrter psychischer Belastung einhergehen. Bedarfsweise sollten bei der Behandlung von Crohn-Patienten Psychotherapeuten oder Psychosomatiker eingeschaltet werden. Die Bewältigung der Krankheitslast gelingt manchen Patienten besser in der Gruppe gleichermaßen Betroffener. Deshalb sollten die behandelnden Ärzte auch auf lokale Selbsthilfegruppen hinweisen.“

Quellen:
¹www.yumpu.com/de/document/view/15919925/die-chronisch-entzundlichen-darmerkrankungen-barmer-gek

Das Interview mit dem Gastroenterologen Prof. Wolfgang Scheppach und scheidenden Chefarzt am Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital, führte Lebenslinie- Chefredakteurin Susanna Khoury. Für seinen Ruhestand wünschen wir ihm alles erdenklich Gute!

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