Die Stimme ist kein Schicksal

Seit einem Jahr trifft sich in der Würzburger Logopädie-Schule eine Stimmbildungsgruppe

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Wie groß ein Mensch ist, welche Struktur seine Haare und welche Farbe seine Augen haben, ist angeboren und auf natürliche Weise nicht veränderbar. Aber wie verhält es sich mit der Stimme? Ist es ein unabänderliches Schicksal, eine piepsige oder zu schrille Stimme zu haben? „Nein!“, betonen Nicola Durry und Susanne Kröckel vom Fachteam „Stimme“ der Würzburger Berufsschule für Logopädie. Es ist möglich, die Stimme so zu ändern, dass sie angenehm klingt und es keine Mühe mehr bereitet, zu sprechen.

Wohlklang lernen

Unabänderlich ist laut Susanne Kröckel zwar, wie Kehlkopf und Stimmlippen geformt sind. Die Stimmlippen können bei dem einen etwas kürzer, bei dem anderen etwas länger sein. Doch davon hänge es nicht ab, wie wohlklingend die Stimme ist. Es komme vielmehr darauf an, die Stimmlippen richtig schwingen zu lassen. Damit haben nicht wenige Menschen Probleme. Sie hindern, ohne dass es ihnen bewusst wäre, die Stimmlippen daran, frei zu vibrieren. So dass die Stimme gepresst oder zu hoch klinge.
Durch Stimmtherapie lasse sich dies ändern. Solche Therapien bietet die Logopädie-Schule im Rahmen ihrer Lehre an. Seit Herbst gibt es sogar erstmals eine Stimmbildungsgruppe. Fünf Interessierte nehmen derzeit daran teil.

Sprechende Berufe

Zur Stimmtherapie kommen vor allem Menschen aus „sprechenden Berufen“. Also Lehrerinnen und Lehrer, Moderatoren, Sänger und Schauspieler, aber auch Seelsorger oder Lehramtsstudierende. „Viele haben einen hohen Leidensdruck“, sagt Durry. Denn wenn die Stimme nicht funktioniert, kann das in diesen Berufen existenzgefährdend sein. Wobei Stimmtherapie auch dann sinnvoll ist, wenn die Stimme nicht zwingend dazu benötigt wird, sein Brot zu verdienen. Stimmen, die nicht angenehm, sicher und sympathisch klingen, wirken sich schließlich vielfältig negativ aus. Sie können über Chancen im Leben entscheiden. Über Jobs, Freundschaften, Beziehungen.

Die Resonanz der Stimme

Schon die ersten Übungen mit einer Logopädin führten bei Menschen, die sich einer Stimmtherapie unterziehen, überraschende Aha-Effekte, so Durry. Mit den Fingerspitzen am Kehlkopf erleben sie zum allerersten Mal die Vibrationen ihrer eigenen Stimme. Am Klavier schlägt Durry Töne an, die von den Patienten nachgesungen werden. Allein dadurch, dass sie achtsam werden und die eigene Stimme an verschiedenen Stellen ihres Körpers wahrnehmen, beginnen die Frauen und Männer allmählich, ihre Stimme zu entfalten. Von Mal zu Mal klingt sie voller und resonanzreicher.

Normalerweise sind mindestens 20 Sitzungen nötig, bis das, was man während der Stimmtherapie erfahren und sich durch Übungen angeeignet hat, soweit verinnerlicht ist, dass die Stimme in jeder Lebenslage trägt. Um ein Maximum an Nachhaltigkeit zu erreichen, empfehlen Durry und Kröckel bis zu 40 Sitzungen. Das erscheint viel, allerdings muss man sich vor Augen halten, dass die Stimme oft zwei, drei oder vier Jahrzehnte lang falsch genutzt wurde. Eingeschliffene Alltagsmuster zu ändern, dauert seine Zeit.

„Viele Menschen, die zu uns kommen, machen auch nach 40 Sitzungen noch weiter“, berichtet Durry. Was einen einfachen Grund hat: Die stimmlichen Übungen, die sehr viel mit Achtsamkeit zu tun haben, werden als beruhigend und entspannend erlebt. Stress, so die Stimmtherapeutin, sei Gift nicht nur für die Seele und den Körper, sondern auch für die Stimme. Unter starkem Stress komme es sogar nicht selten dazu, dass die Stimme versagt.

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