Die Sprache der Bilder

Radiologe PD Dr. Lukas Lehmkuhl über Möglichkeiten und Grenzen der bildgebenden Diagnostik

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„Die bildgebende Diagnostik beinhaltet die Darstellung von anatomischen, aber auch von krankhaften Strukturen im Körper“, sagt PD Dr. Lukas Lehmkuhl, Chefarzt der Klinik für Diagnostische Radiologie am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt. „Bildgebung stellt mittlerweile auch Funktion oder Physiologie dar.“ So könnten Mediziner:innen beispielsweise die Durchblutung eines Gewebes sehen oder die krankhaft veränderte Bewegung eines Gelenkes. Für die Bildgebung gibt es verschiedene Verfahren, die „auf ganz unterschiedlichen physikalischen Grundlagen beruhen“. Der seit Herbst 2022 amtierende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Herz- und Gefäßdiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) nennt etwa die auf Ultraschall basierenden Methoden sowie die große Gruppe der Röntgenverfahren, inklusive der Computertomographie (CT). Daneben gebe es Verfahren, die „magnetische Wechselwirkungen im Bereich der Atomkerne“ nutzen, wie die Magnetresonanztomographie (MRT). Zu guter Letzt gebe es die Gruppe der „nuklearmedizinischen Untersuchungen“. Bei einigen Krankheitsbildern scheint klar, welche Verfahren geeignet sind. Im Fall der Schilddrüse sind die Verfahren der Wahl die Szintigrafie und der Ultraschall, um Veränderungen des Organs in seiner Struktur und Funktion darzustellen. Sind Knochen gebrochen, wird geröntgt. Oder nicht? „Wenn der Knochen gebrochen ist, reicht häufig ein Röntgenbild, um den Bruch nachzuweisen“, sagt Dr. Lehmkuhl. „Ist der Bruch sehr fein oder kompliziert, sei häufig zusätzlich eine CT erforderlich. ­Handle es sich nicht um einen Bruch, sondern liege ein Tumor oder eine Entzündung im Knochen vor, spielen Szintigrafie und MRT eine wichtige Rolle. Gerade bei Weichteilen oder Problemen mit den Gelenkbändern ist häufig eine MRT erforderlich, da diese Strukturen in der MRT gut dargestellt und krankhafte Prozesse erkannt werden können. „All diese Verfahren können auf dieselben Dinge schauen, aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln.“ Deshalb spiele beim Einsatz der jeweiligen Verfahren die „Indikation“ eine wesentliche Rolle. Es sei stets eine „individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung“, die darüber entscheidet, welches Verfahren bei Patient:innen anzuwenden ist. Die Untersuchungszeiten unterscheiden sich teilweise erheblich. „Ein Ultraschall geht schnell, meist binnen weniger Minuten. Auch Röntgenbild oder CT sind schnell erstellt“, sagt Dr. Lehmkuhl. Anders verhalte es sich beim MRT, hier ist im Schnitt eine halbe Stunde einzuplanen. Das Thema „Patient:innen-Belastung“ werde stets mitgedacht, so der Mediziner. „Der Ultraschall ist ein Verfahren, das wenig Energie in den Körper einbringt und kaum Nebenwirkungen kennt.“ Bei den Röntgenverfahren komme es sehr darauf an, welche Untersuchungsart angewandt wird und wen man vor sich habe – bei einem Kind oder einer Schwangeren versuche man eher, den Einsatz von Röntgenstrahlen zu vermeiden, wenn es geht – auch hier im Rahmen einer Nutzen-Risiko-Abwägung. Die Annahme, dass einzig die Summe der Strahlungsdosis zähle, die der Körper im Laufe des Lebens abbekommen hat, um eine ­Gefährdung zu beziffern, kann der Arzt so nicht unterschreiben. „Es gibt im diagnostischen Bereich keine Strahlungsschwelle, bei der man sagt, ab hier tritt Krebs auf. Dennoch geht eine höhere Strahlendosis mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einher, negative Effekte im Gewebe hervorzurufen.“ Auf der anderen Seite habe der Körper eigene gut funktionierende Reparaturmechanismen, die die Wirkung der uns alltäglich umgebenden irdischen Strahlung abwehren. „Vor diesem Hintergrund versuchen wir immer so wenig Strahlung wie möglich anzuwenden.“ Der Nutzen-Risiko-Ansatz gelte auch beim Einsatz von Kontrastmitteln. Bei einer bekannten Allergie werde ein solches eher nicht gegeben, gleiches ist auch bei Patient:innen mit hochgradig eingeschränkter Nierenfunktion der Fall. Besonders im Blick habe man auch Personen mit einer Schilddrüsenüberfunktion, wenn es um Röntgenkontrastmittel geht. „Es bleibt im Einzelfall lediglich das Ausweichen auf ein anderes Verfahren.“ Bildgebung, so der Radiologe, könne ganz viel leisten. Die Sprache der Bilder sei heute vielschichtig. Und die Grenzen erweitern sich täglich.

 Fotos: ©depositphotos.com/@andreyuu, Dr. Lehmkuhl ©Lukas Lehmkuhl 

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