Des Nächtens…

Über Lichtverschmutzung und wie man sie vermeiden kann

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Was sehen Sie, wenn Sie nachts in den Himmel schauen? Ist Ihr Blick frei auf das Sternenzelt? Schön! Denn wie ein internationales Forscherteam herausgefunden hat, ist das nicht vielen Menschen vergönnt. Über 80 Prozent der Bevölkerung weltweit leben unter einem mehr oder weniger lichtverschmutzen Himmel¹.

Lichtverschmutzung – der Begriff scheint wenig greifbar. Er beschreibt unter anderem die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen, die Licht in die Atmosphäre streuen. Das klingt harmlos, aber: „Die Aufhellung unseres Nachthimmels hat direkte Konsequenzen für Mensch und Natur, denn alles Leben auf der Erde hat sich über Millionen von Jahren hinweg an den natürlichen Wechsel von hell und dunkel angepasst“, sagt Anna-Lena Bieneck vom UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Dieses ist ein Internationaler Sternenpark, einer der ersten in Deutschland. Die dort in Teilen vorhandene, natürliche Nachtlandschaft ist ein Alleinstellungsmerkmal der Region, was 2014 von der International Dark-Sky Association (IDA) mit dieser Auszeichnung gewürdigt wurde. Aus gutem Grund: „Tagaktive Tiere und auch wir Menschen brauchen die Dunkelheit zum Schlafen, Entspannen und Regenerieren. Nachtaktive Tiere brauchen sie für ihre Nahrungssuche, manche sogar für die Fortpflanzung. Und Pflanzen machen sich den Rhythmus für die Photosynthese zunutze“, so Bieneck.

Was viele nicht wissen: Die innere Uhr des Menschen reagiert sensibler auf künstliches Licht bei Nacht als bisher angenommen. Bei empfindlichen Menschen reichten schon knapp sechs Lux, also eine sehr geringe Lichtintensität, aus, um die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonins zu unterdrücken. Das ist das Ergebnis aktueller Forschungen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei zur „Auswirkung von Lichtverschmutzung auf die Melatoninbildung bei Menschen und Wirbeltieren“.²’³

Deshalb hat also das Bundesimmissionsschutzgesetz künstliches Licht – je nach Art und Ausmaß – als schädliche Umwelteinwirkung eingestuft. „Nachtaktive Insekten leisten einen wichtigen Beitrag im Ökosystem, sind jedoch extrem lichtempfindlich. Von künstlichen Lichtquellen werden sie irritiert, angelockt und geblendet. Sie verlieren ihre Orientierung und verenden oft vor Erschöpfung. Milliarden von Insekten verlassen hierbei ihren eigentlichen Lebensraum und können nicht mehr der Nahrungs- und Partnersuche nachgehen“, verweist Bieneck zudem auf das Eckpunktepapier zum Aktionsprogramm Insektenschutz⁴.

Tiere wie Fledermäuse, Igel, Amphibien und auch Vögel seien zudem auf Insekten als Nahrungsquelle angewiesen und auch betroffen. Zugvögel zögen hauptsächlich in der Nacht und würden durch starke Kunstlichtquellen vom Weg abgelenkt. Und auch tagaktive Tiere kämen des nachts nicht zur Ruhe. „Kurzum: Lichtverschmutzung zerstört Lebensräume.“ Doch seit wann ist das so? „Satellitenbilder legen nahe, dass die Lichtverschmutzung mit der Ver- siegelung der Bodenflächen einhergeht und die Zunahme jährlich ein bis sechs Prozent beträgt“, so die Fachfrau. Die Forschungen hierzu dauern weiter an.

Auch in der Rhön soll noch 2020 ein „Sky Monitoring“ starten. Gegen die Lichtverschmutzung anzugehen leitet sich für Bieneck auch aus anderen Gründen ab. „Die Betrachtung des Sternhimmels gehört zu den ältesten Kulturgütern der Menschheit. Ohne den Sternenhimmel wäre früher die Bestimmung der Zeit und die Erstellung der Kalender nicht möglich gewesen – die Menschen haben sich am Nachthimmel orientiert. Heute ist er nicht nur wichtig für die physikalische Grundlagenforschung, sondern bietet auch magische Erlebnisse.“ Aber wie geht man vor? Bieneck und ihre Mitstreiter sind überzeugt, dass jeder etwas tun kann – etwa durch gute Planung im Vorfeld oder einfache Umrüstungsmaßnahmen an bestehender Beleuchtung rund ums Haus und im Garten.

„Prinzipiell kann man sich an vier Fragen orientieren: Ist die künstliche Außenbeleuchtung wirklich notwendig? Wie lange ist die Beleuchtung notwendig? Wo wird das Licht benötigt? Welches Leuchtmittel (Lampe) ist geeignet?“ Einfach umzusetzen sei der Verzicht auf überflüssige Beleuchtung wie Lichtkugeln, Bodenstrahler oder Solarleuchten. Hilfreich seien auch gut eingestellte Bewegungsmelder, die nicht schon bei Katzen reagieren, Schalter und Zeitschaltuhren. „Nach Mitternacht wird kaum noch Licht benötigt – abschalten oder dimmen ist dann sinnvoll“, so Bieneck. „Das Licht muss zudem zielgerichtet dahin gelenkt werden, wo es benötigt wird – also auf Wege, Treppen oder Eingängen anstatt auf Büsche, Bäume oder Teiche, die wichtige Lebensräume für tag- und nachtaktive Tiere sind.“

Strahler sollten niemals nach oben zeigen, sodass nicht unnötig Licht in den Nachthimmel gelenkt werde. Sie und ihre Kollegen empfehlen, gerichtete Leuchtmittel wie Reflektor- und Kopfspiegellampen für die Umrüstungen der üblichen Laternen am Haus zu verwenden. Eine Lichtstrommenge von 100 Lumen pro Lampe sei in der Regel ausreichend, bei großflächigen Strahlern maximal 800 Lumen. Entscheidend ist außerdem die Lichtfarbe: „Hier sollte man eine warmweiße Farbtemperatur wählen, die 2.700 Kelvin nicht übersteigt. Noch besser ist bernsteinfarbenes Licht, das auch als ‚Amber‘ oder ‚Vintage‘ angeboten wird.“

Im Sternenpark Rhön wird das bereits vorgelebt. In wenigen Jahren könnte das sogar Gesetz werden, wie die Medien⁵ Anfang August mit Blick auf ein Gesetzpaket von Bundesumweltministerin Svenja Schulze übereinstimmend berichteten. Demzufolge sollen in ganz Deutschland neue Lichtquellen sowie die Außenbeleuchtung von Gebäuden künftig Tiere und Pflanzen möglichst wenig beeinträchtigen. „Details dazu sollen über eine Verordnung geregelt werden. Diese wird das Umweltministerium spätestens Ende 2022 vorlegen.“

Quellen:
¹https://advances.sciencemag.org/content/2/6/e1600377
²https://www.igb-berlin.de/news/lichtverschmutzung-unterdrueckt-dunkelhormon-melatonin-bei-mensch-und-tier
³https://www.mdpi.com/2071-1050/11/22/6400/htm
www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/eckpunkte_insektenschutz_bf.pdf
https://www.tagesschau.de/inland/insektenschutz-gesetz-101.html

Im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön kommen die Menschen noch in den Genuss natürlicher Nachtlandschaften. In klaren Nächten sind hier viele Tausend Sterne, die Milchstraße, das Zodiakallicht und andere schwache Himmelsobjekte mit bloßem Auge erkennbar.

www.sternenpark-rhoen.de

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