Der Wille ist entscheidend

Orthopädie-Technik-Meister Jürgen Czalla über den Verlust von Beinen

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„Wer etwas will, findet Wege, wer etwas nicht will, findet Gründe.“ Den Satz des Gründers der dm-Drogeriemarktkette und der Initiative „Unternimm die Zukunft“ kann Jürgen Czalla voll und ganz unterschreiben. Der Orthopädie-Technik-Meister bei Schön & Endres erzählt von einem jungen Patienten, der nach einer Beinamputation aufgrund eines Unfalls nicht wieder auf die Beine gekommen ist. Trotz Prothese mit modernster Technik, hat er sich entschieden, deprimiert im Rollstuhl sitzen zu bleiben. Ausschlaggebend, so Czalla, sei nicht nur die Technik, die heutzutage zur Verfügung steht, sondern der Wille nach einem Schicksalsschlag wieder auf eigenen Beinen stehen zu wollen. „Eine Amputation etwa der Beine ist ein Trauma, das erst verarbeitet werden muss.“ Der Ist-Zustand müsse akzeptiert werden und auch das Hilfsmittel Prothese, das fortan steter Begleiter für ein selbstbestimmtes Leben sein wird, so der Experte, der seit 43 Jahren Orthopädie-Technik ausübt. Wieder auf die Füße zu kommen nach einer Beinamputation, sei in erster Linie eine Kopfentscheidung, dann erst eine körperliche. Mehr als 4,5 Millionen Deutsche leiden an der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Ab einem Alter von 65 Jahren ist rund jede:r Fünfte von einer pAVK betroffen. Die sei dann auch der häufigste Grund für eine Amputation der unteren Extremitäten, so Jürgen Czalla. Unfälle und Tumore könnten auch eine Amputation nach sich ziehen, aber Durchblutungsstörungen und Diabetes mellitus seien die Hauptursache vor allem in höherem Alter. Fast 60.000 Amputationen finden jährlich in deutschen Kliniken statt, in den meisten Fällen sind es die unteren Extremitäten, also Füße, Unterschenkel und Beine, die betroffen sind1. Bereits kurz nach der Amputation in der Akutklinik macht der Orthopädie-Techniker den Patient:innen seine Aufwartung, um einen ersten Kontakt herzustellen, eine Verbindung aufzubauen, beim Verarbeiten des Traumas zu helfen und Perspektiven mittels seiner Profession aufzuzeigen, wie Cazalla sagt. „Der Mensch ist ­keine Maschine“. Im Vordergrund stehe das Menschliche, die Technik sei nur „Mittel zum Zweck … „Nach Abheilung der Wunde erfolgt die Konditionierung des Stumpfes mittels Binden oder eines Silicon-Liners, um Ödeme zu reduzieren und die Wundheilung zu forcieren. Danach folgt die Versorgung mit einer Interimsprothese, mit der der:die Patient:in ein halbes Jahr den Umgang übt, und am Ende dann die Definitivprothese, die auf die individuellen Erfordernisse der Betroffenen angepasst ist“, erklärt Czalla. Sowohl bei den Linern als auch bei Kniegelenken oder Fußpassteilen gebe es von Standardausführungen bis zu Hightech-Modellen eine große Bandbreite an technischen Möglichkeiten, die Prothese zu konfigurieren. Jedoch: „Die beste Prothese ist immer die, mit der der:die Patient:in in der aktuellen Situation den meisten Benefit hat“, weiß der Orthopädie-Technik-Meister. „Es gibt Fußpassteile mit starken Carbonfedern, die für Extremsportler:innen sicher eine Option sind, für ältere Damen mit Rollator eher nicht. Diese benötigen eine Federung in reduzierter Form, die die fehlende Kraft beim Laufen kompensieren kann, klärt Czalla auf. Das gleiche gelte für prothetische Kniegelenke. „Viel Funktion heißt auch immer mehr Gewicht“, das müsse man alles im Blick behalten als Orthopädie-Techniker. Und vor allem das Ziel, das der:die Betroffene vor Augen habe: Will sie:er am nächsten Halbmarathon wieder ­teilnehmen, oder „nur“ den Alltag beschreiten können, sprich selbstständig von A nach B kommen. Hier bestimme erneut der Patient:innenwille das Endergebnis und somit das zukünftige Leben!
Susanna Khoury 

Fotos: , ©depositphotos.com/@belahoche, ©depositphotos.com/@kapona, ©depositphotos.com/@santypan, ©depositphotos.com/@belahoche, ©depositphotos.com/@Ashtray25, ©Schön&Endres; Quellen: 1www.bmab.de

 

Jürgen Czalla baut seit 43 Jahren Prothesen. Der Orthopädie-Techniker-Meister mag seinen Beruf. In erster Linie liebt er aber die Sinnhaftigkeit seines Tuns. Täglich hilft er dabei, dass Menschen wieder auf die Füße kommen, im übertragenen und im wahrsten Sinn des Wortes.

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