Der Seiltanz der pflegenden Angehörigen

VdK zieht ernüchternde Bilanz zur Situation der häuslichen Pflege

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Wie wenig während der Corona-Krise für häusliche Pflegende getan wurde, sei enttäuschend: Zu diesem Schluss kommt der Sozialverband VdK auf Basis einer aktuellen Studie¹. Demnach fühlten sich 78 Prozent der befragten pflegebedürftigen Menschen und 84 Prozent der Angehörigen während der Krisenzeit im Stich gelassen. Unter anderem deshalb, weil viele Entlastungsmöglichkeiten wie die Tagespflege oder Demenzcafés weggefallen sind. Frust herrscht in der Pflegeszene auch wegen der Pflegereform vom Juli 2021. Die geplante Erhöhung des Pflegegelds, kritisiert der VdK, wurde gestrichen. Stattdessen gab es Millionenbeträge für Pflegeheime.

Laut der VdK-Studie war jedoch die Situation zu Hause während der Corona-Krise deutlich besser als im Heim. Trotz gestiegener Belastungen sei es den ­Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen mit Blick auf das Coronavirus überwiegend gut ergangen. Nur zwölf Prozent hätten sich hilflos und alleingelassen gefühlt. Ein Viertel der Pflegebedürftigen gab an, dass sich die Beziehung zu Angehörigen während der Krise vertieft habe. Angehörige kommen oftmals an ihre Grenzen, wenn sie sich entscheiden, neben dem Beruf auch noch das Pflegen zu übernehmen. Das glich laut dem VdK schon vor der Corona-Krise einem „Seiltanz“. Während der Pandemie wurde die Vereinbarkeit laut Pflegestudie für 37 Prozent der Erwerbstätigen noch schwieriger. 15 Prozent der doppelt belasteten Angehörigen nutzten die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, um die Pflege zu bewerkstelligen. Zehn Prozent reduzierten der Studie zufolge Arbeitszeit. Der Sozialverband fordert vor diesem Hintergrund eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige. Wichtig sei zudem ein Anspruch, von der Arbeit freigestellt zu werden und anschließend zurückkehren zu können. Fachleute aus der Sozialbranche sowie Sozialpolitiker:innen bekommen durch die Studie eine Menge Input, was verbessert werden müsste, damit es einfacher wird, in Krisenzeiten häuslich zu pflegen.

Die zu Hause Versorgten waren die „Vergessenen der Pandemie“. Der Studie zufolge litten sie und ihre Angehörigen unter Ungewissheit und Isolation. Dies dürfe sich nicht mehr wiederholen. Der VdK fordert daher einen bundesweit gültigen Krisen- und Katastrophenplan, der auch die häusliche Versorgung miteinbezieht. Angefertigt wurde die Studie von Expert:innen der Hochschule Osnabrück. In der Untersuchung ging es darum, welche Unterstützungsleistungen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen in Anspruch genommen werden. Außerdem wurde die Zufriedenheit mit den genutzten Angeboten eruiert. Fast 75 Prozent der Pflegenden fühlten sich durch die Krisensituation psychisch wesentlich stärker belastet als bisher. Angst vor dem Alleinsein äußerte mehr als jede:r fünfte Pflegende. Aber auch Pflegebedürftige gerieten psychisch an ihr Limit. Mehr als 70 Prozent fühlten sich seelisch durch die Corona-Krise stärker beeinträchtigt als zuvor. Die Angst vor Vereinsamung war bei Pflegebedürftigen noch stärker ausgeprägt als bei pflegenden Angehörigen. Jede dritte pflegebedürftige Person äußerte diese Befürchtung.

Quelle:
¹www.vdk.de/deutschland/pages/themen/pflege/81569/pflegestudie?dscc=ok

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