Der Mensch ist unverändert wertvoll

Der 2. Würzburger Demenztag über Herausforderungen in Forschung und Praxis

0
„Ohne die Angehörigen geht hier gar nichts“, so Professor Dr. Jürgen Deckert, Leiter der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg. Foto: Regina Rodegra

„Ohne die Angehörigen geht hier gar
nichts“, so Professor Dr. Jürgen Deckert,
Leiter der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie des
Universitätsklinikums Würzburg. Foto: Regina Rodegra

Maria S. wiederholt immer wieder dieselbe Frage.

Plötzlich weiß sie nicht mehr, wie man kocht und erzählt die gleiche Geschichte ein ums andere Mal. Auch wiederholt sie Fragen, die man eigentlich ihr gestellt hat.

Das US-amerikanische National Institute on Aging (NIA) sieht unter anderem darin Warnzeichen für eine beginnende Demenz-Erkrankung, die Patienten und ihre Angehörigen hellhörig werden lassen sollten.

„Demenz zählt zu den häufigsten Gesundheitsproblemen im höheren Lebensalter“, berichtet die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Dem Welt-Alzheimerbericht 2015 zufolge leiden derzeit allein in Deutschland über 1,5 Millionen an einer Demenz-Erkrankung.

Bis 2050 könnte sich ihre Zahl noch verdoppeln. Doch was steckt dahinter? Der Selbsthilfeorganisation zufolge bezeichnet Demenz „einen andauernden oder fortschreitenden Zustand, bei dem die Fähigkeiten des Gedächtnisses, des Denkens und/oder anderer Leistungsbereiche des Gehirns beeinträchtigt sind.“

Oft komme es auch zu Veränderungen des zwischenmenschlichen Verhaltens und des Antriebs.

Demenz beschreibt ein „bestimmtes Muster von Symptomen“, keine bestimmte Krankheit. Mehr als 60 Prozent aller Demenzen werden durch die Alzheimer-Krankheit hervorgerufen.

Die hirnorganische Erkrankung führt dazu, „dass in bestimmten Bereichen des Gehirns allmählich Nervenzellen und Nervenzellkontakte zugrunde gehen“, so die Gesellschaft.

Die Folgen sind weitreichend: Zunehmend seien die Patienten auf Hilfe und Unterstützung angewiesen.

Die Anforderungen an Betreuung, Pflege, Therapie und ärztliche Behandlung seien aber sehr unterschiedlich.

„Alzheimer-Kranke sind keine einheitliche Gruppe, sondern Individuen mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen, Kompetenzen und Defiziten, die in unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen
Situationen leben.“

„Die Pflege von Demenz-Erkrankten hat ihre ganz eigenen Herausforderungen“, betont Dr. Kurt Eckernkamp, dessen Schwester an Demenz erkrankte. Foto: Regina Rodegra

„Die Pflege von Demenz-Erkrankten hat ihre
ganz eigenen Herausforderungen“, betont
Dr. Kurt Eckernkamp, dessen Schwester an
Demenz erkrankte. Foto: Regina Rodegra

Darum ging es auch beim 2. Würzburger Demenztag im Vogel Convention Center am 19. September, der von der Vogel Stiftung unterstützt wurde.

„Die Pflege von Demenz-Erkrankten hat ihre ganz eigenen Herausforderungen“, betont Dr. Kurt Eckernkamp, dessen Schwester an Demenz erkrankte.

Seit 2010 fördert seine Stiftung die „Vogel-Studie“ und stellt für die Forschung zur Früherkennung von
Demenz über acht Jahre mehr als eine halbe Million Euro bereit.

Unter der Schirmherrschaft von Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm haben sich Fachleute mit allen Interessierten aus den unterschiedlichsten Bereichen sowie mit Angehörigen ausgetauscht.

Sie alle handeln unter einer Prämisse, so PD Dr. med. Martin Lauer, Leiter der Klinischen Gerontopsychiatrie des UKWs: „Dieser Mensch ist unverändert wertvoll“.

So wurde die Geronto- und Neuropsychologin Dr. Elisabeth Jentschke, auch UKW, in ihrem Vortrag nicht müde zu betonen, wie wichtig die Kommunikation zwischen Patient, Pflegenden und Angehörigen ist.

Anhand des Kommunikationsquadrats sowie des 4-Ohren-Modells von Friedemann Schulz von Thun skizzierte sie die Einflussfaktoren, die bei Sender und Empfänger hinein spielen.

„Haltung und Einstellungen sind etwas Veränderbares“, sagt die Gerontopsychologin Dr. Elisabeth Jentschke. Foto: Regina Rodegra

„Haltung und Einstellungen sind etwas
Veränderbares“, sagt die Gerontopsychologin
Dr. Elisabeth Jentschke. Foto: Regina Rodegra

„Die Passung“, so Jentschke, „ist ein hochkomplexer Vorgang.“ Um sie zu erreichen, sei eine empathische Kommunikation gefragt. Die Neuropsychologin griff insbesondere die Validation heraus.

Die in den 1960ern von Naomi Feil entwickelte Methode geht auf die innere Erlebniswelt und momentane Befindlichkeit des Patienten ein. Ausgegangen wird von einer akzeptierenden, keiner korrigierenden Sprache.

Bedürfnisse verstehen und zu spiegeln hat höchste Priorität. Die Fachfrau räumte auch mit dem Vorurteil auf, dass Demenz-Patienten nicht für eine Psychotherapie empfänglich seien.

Im Fokus stünden der wertschätzende, stützende Kontakt und die Förderung bestehender Ressourcen.

Durchgeführt wurde die Fort- und Weiterbildungsveranstaltung des Zentrums für Psychische Gesundheit, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer, der Alzheimer- Gesellschaft Unterfranken e.V., Halma e.V. und vielen weiteren.

Share.