Das Zünglein an der Waage: die Impfquote?

Der Würzburger Virologe Professor Lars Dölken über die Rückkehr zu Normalität und unser Leben mit SARS-CoV-2

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Alle wünschen sich nichts mehr als eine Rückkehr zur Normalität vor SARS-CoV-2. Aber wie kann dies gelingen? Der Würzburger Virologe Professor Lars Dölken ist überzeugt, dass die Impfquote das Zünglein an der Waage sein wird: „SARS-CoV-2 ist nur deswegen gefährlicher als andere Viren, weil unser Immunsystem es bisher nicht kannte. Mit der Impfung hingegen lernen wir das Virus kennen. So verliert es seinen Schrecken“, sagt der Leiter des Instituts für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg. „Das Virus wird nicht mehr verschwinden und so werden sich in den nächsten drei bis fünf Jahren alle Menschen damit infizieren, die Frage ist nur geimpft oder ungeimpft“, prognostiziert Dölken. Laut einer Modellrechnung des Robert-Koch-Instituts, die sich mit den Impfeffekten von Januar bis Juli in Deutschland beschäftigte, habe die Impfkampagne im ersten Halbjahr 2021 rund 700.000 Meldefälle, über 76.000 stationäre und etwa 20.000 intensiv-medizinische Fälle sowie rund 40.000 Todesfälle verhindert¹.

Prof. Dölken ©Julius-Maximilians-Universität Würzburg

„Jetzt im kommenden Herbst und Winter werden es noch sehr viel mehr werden. Aktuell treten schwere Infektionen fast ausschließlich bei Ungeimpften auf. Ich kann ja verstehen, dass die Jüngeren mit der Impfung zögern. Sie ist schließlich etwas Neues und dem Nutzen steht die Angst vor Nebenwirkungen gegenüber. Bei Menschen über 40 Jahren aber überwiegt das Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken oder zu versterben“, so Dölken. Bezüglich der Impfempfehlungen vertraue er der Ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland, von der er einige Mitglieder persönlich gut kennt. Die STIKO empfiehlt jetzt eine Impfung für Kinder ab 12 Jahren. In seinem erweiterten Familienumfeld seien bereits alle Personen, inklusive Kinder ab 12 Jahren, geimpft. „Es muss uns allerdings klar sein, dass auch die Impfung aller Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren die vierte Welle bestenfalls verlangsamen wird“, insistiert der Virologe.

Weltweit werde es noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern, bis in allen Ländern hohe Impf- respektive Durchseuchungsraten erreicht seien. Und wie schaut es mit der Booster-Impfung aus … Werden wir jährlich den Impfschutz gegen Covid auffrischen müssen? Dölken: „Wir alle werden nach etwa einem Jahr eine einzelne Booster-Impfung benötigen. Die Älteren von uns wahrscheinlich noch vor dem Winter, die Jüngeren wohl eher nicht. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir eine jährliche Impfung gegen SARS-CoV-2 wie bei Influenza brauchen werden.“ Wahrscheinlich seien für Menschen unter 60 Jahren Auffrisch-Impfungen alle drei bis fünf Jahre, vielleicht sogar nur alle zehn Jahre. Ob Menschen über 80 Jahren von einer jährlichen Booster-Impfung ­profitierten, könne man dann entscheiden, wenn es beispielsweise erneut in den Heimen zu größeren Ausbrüchen bei vollständig Geimpften kommen sollte, so Professor Dölken. Masken und die AHA-Regel seien aber zumindest in diesem Winter weiterhin sinnvoll, da die derzeit dominierende Delta-Variante des Virus sehr ansteckend sei und die Impfquote erst bei etwas über 60 Prozent der Gesamtbevölkerung (Stand 3. September) in Deutschland liege. „Leider reicht die Zahl nicht mal annähernd aus, um eine vierte Welle wirksam zu verhindern“, so Dölken. „Hier bräuchten wir mindestens 85, besser 90 bis 95 Prozent“ Ansonsten müsse leider erneut der Slogan für den Herbst und Winter lauten: „Außen hui, innen pfui!“

Quelle:
¹www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/35_21.pdf?__blob=publicationFile

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