Beklebte Körper

Von locker bis fest: Sport-Physiotherapeutin Anna Gottschlich über Möglichkeiten und Grenzen des Tapens

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Foto: © Anna Gottschlich

„Olympia: Bepflasterte Spiele“, titelte die Zeitung Standard* im August 2016. Hier erschienen „nicht nur die Athleten auf der Bildfläche, sondern auch ihre beklebten Körper“. „Sie kleben auf Knie, Schenkel, Schultern und zeigen damit meist auch, welche Körperpartien von der jeweiligen sportlichen Disziplin besonders beansprucht werden“, hieß es.

Was seither von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, ist eigentlich schon ein paar Jahre alt. Ursprünglich stammen das Tape und die Methode aus Japan. Bereits 1973 entwickelte der Chiropraktiker Kenzo Kase das sogenannte Kinesio-Taping und das dazu gehörige Kinesio-Tape**. „Man muss unterscheiden“, sagt Anna Gottschlich, Sport-Physiotherapeutin in der Praxis Sielemann in Oberdürrbach. „Es gibt das bunte Kinesio-Tape, und das weiße, festere Leukotape.“

Ersteres ist ein sensorisches Tape. Bewegung ist hier möglich. Es soll aktivieren oder entspannen, aber auch stimulieren, so die Fachfrau, die gleichzeitig auf die umstrittene Wirkung dieser Form des Tapens hinweist. Hier komme es auf den Patienten an. Habe dieser das Gefühl, es helfe, zum Beispiel bei Verspannung oder beim Aufrichten, lege sie es auch an. Das Leukotape hingegen ist stabilisierend, so Anna Gottschlich. Es ist fest „wie ein Gips“ und wird in der „Akutphase“ etwa nach einer Verletzung angebracht. Die verletzte Struktur einer Bewegungseinheit wird ruhigstellt, während alle anderen Funktionen und damit die Beweglichkeit so weit wie möglich erhalten bleiben. „Am häufigsten wird es bei einer Verletzung des oberen Sprunggelenks angewandt, wenn etwa ein Fußballer oder Basketballer umknickt und es in der Folge zu einer Instabilität kommt“, sagt die Physiotherapeutin.

Hier sei der Einsatz beim Training oder Spiel in der ersten Zeit auf jeden Fall sinnvoll. Nur so werde sichergestellt, dass es nicht zu einer Re-Verletzung komme. „Angelegt werden sollte ein Tape auf trockener und sauberer Haut, die von Creme, Öl und Haaren befreit ist“, sagt Gottschlich.

Ein Kinesio-Tape komme direkt auf die Haut und werde entweder im Verlauf eines Muskels oder eines Gelenks platziert. Beim Leukotape komme zunächst eine Unterzugbinde auf die Haut. Grund sei die starke Haftung dieses Tapes, das bei dauerhaftem Tragen zu Irritationen der Haut führen könne. Tapes sollten stets vom Experten angelegt werden. Denn bevor sie zum Einsatz kommen, gilt es einige Punkte zu klären. Besteht eine Pflasterallergie? Gibt es eine klare Diagnose? Liegt ein Bruch oder eine Luxation vor? Hat der Patient ein ausgedehntes Hämatom? Spürt er seine Gliedmaßen oder gar Schmerzen? Letzteres spielt vor allem beim Leukotape eine entscheidende Rolle.

Während ein falsch angelegtes Kinesio-Tape lediglich seine Wirkung nicht entfalten oder zu Hautirritationen führen könne, könne ein Fehler beim festen Tape fatale Folgen haben, indem es etwa zu einer Kompression von Nerven oder Gefäßen komme. Getragen werden könne ein Kinesio-Tape bei Verträglichkeit „solange, bis es sich löst“. Ein Leukotape verliere hingegen relativ schnell an Zugkraft und müsse nach wenigen Tagen ersetzt werden.

Doch ganz gleich, welches Tape verwendet werde, sportliche Betätigung und Muskelaufbau könne es nicht ersetzen, mahnt Anna Gottschlich.

Quellen: *https://www.derstandard.de/story/2000042353140/olympia-bepflasterte-spiele, **http://www.kinesiotaping.co.uk/history.jsp

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