Bakteriophagen: „Intelligente Antibiotika“?

Seit 30 Jahren forscht Dr. Christine Rohde an Viren, die Krankheiten bekämpfen können

0

Lange unbekannt und unbeachtet haben Bakteriophagen inzwischen einen festen Platz in der Medizin eingenommen. Man bezeichnet sie auch als sogenannte „intelligente Antibiotika“. Sie sind die natürlichen Gegenspieler der Bakterien und können in der Medizin da eingesetzt werden, wo besagte Bakterien unerwünscht sind. Mikroskopisch klein vermehren sich Phagen (aus dem Griechischen: Bakterienfresser) am Infektionsort, solange ihre passenden „Beutebakterien“ vorhanden sind und zerfallen danach wieder in ihre Bausteine (Protein und Nukleinsäure).

Foto: Dr. Rohde ©DSMZ

Damit sind sie selbst-regulierende Antiinfektiva, also Arzneimittel zur Behandlung von Infektionskrankheiten, die zudem spezifisch wirken. Auf ihren Nutzen für die Medizin fokussierte man sich in Deutschland erst, als die Antibiotikakrise immer höhere Wellen schlug. „Phagen sind die häufigste Daseinsform auf unserem Planeten“, erklärt Dr. Christine Rohde, „es sind Viren, die Bakterien spezifisch zerstören können.“

Seit 30 Jahren forscht die Ärztin am Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) an Bakteriophagen und integrierte die in der Grundlagenforschung bekanntesten in die Deutsche Phagenbank. Wendet man bei bakteriellen Infektionen Phagen anstelle von Antibiotika an, verschiebe man im Grunde in der Erkrankung das Gleichgewicht zugunsten der passenden Phagen, um den Überschuss der pathogenen Bakterien zu minimieren beziehungsweise zu eliminieren, so die Forscherin. „Bei allen auf das SARS-CoV-2-Virus fokussierten derzeitigen Anstrengungen, darf die Antibiotikakrise nicht aus den Augen verloren werden, denn an Covid-19 erkrankte Patienten erleiden oft eine bakterielle Sekundärinfektion“, macht Rohde deutlich. Dann sei umso dramatischer, wenn verabreichte Antibiotika nicht mehr wirken und sich Krankheitsverläufe unter solchen Ko-Infektionen verschlimmern oder gar zum Tod führen.

Die Antibiotikakrise ist längst eine globale Gesundheitskrise und wurde auch als ökonomische Krise thematisiert. Deshalb sollten gerade in der Pandemie Antibiotika nur limitiert eingesetzt werden, mahnen Ärzte weltweit.

Die kontinuierliche Erweiterung der Deutschen Phagenbank ist das Ziel von Dr. Rohde. Denn die Grundlagenforschung, die an der DSMZ betrieben wird, bilde eine wichtige Säule in der Bekämpfung der Antibiotikakrise durch Bakteriophagen-Therapie.

www.dsmz.de

Share.