Autophagie: die körpereigene „Müllabfuhr“

Ernährungswissenschaftlerin Lisa Schiffmann und Ökotrophologin Maike Auerochs über Fasten, Sport, Sirtfoods und das Altern

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Seit dem Hype um Intervallfasten ist sie in aller Munde, die Autophagie. Aber was ist Autophagie und wie funktioniert sie? Der Begriff setzt sich aus den altgriechischen Wörtern „auto“ (selbst) und „phagein“ („essen/fressen“) zusammen, und bedeutet „sich selbst verzehrend“. „Man kann von einem körpereigenen Recyclingprogramm sprechen, das beschädigte Zellbestandteile, aber auch Krankheitserreger aussortiert, abbaut und die Bestandteile wiederverwertet“, erklärt Lisa Schiffmann (34), Ernährungswissenschaftlerin und tätig in der ambulanten Ernährungsberatung für an Krebs erkrankte Patient:innen am Uniklinikum Würzburg (UKW). 

Autophagie & Altern

„Beim hochkomplexen Prozess der Autophagie werden beschädigte Zellbestandteile (Proteine, Fette, Bestandteile ganzer Organellen), welche ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen, erkannt und umhüllt. Es entstehen sogenannte Vesikel. Diese verschmelzen mit den sogenannten Autophagosomen und werden abgebaut“, sagt Schiffmann. Dieser „Abfall“ wiederum könne verwertet werden. Ein richtig funktionierendes Recyclingverfahren halte jung, gesund und stelle den korrekten Ablauf der Körperfunktionen sicher. 

„Je älter der Mensch wird, umso schlechter läuft das zelleigene Recyclingprogramm ab, was vereinfacht gesagt den Alterungsprozess erklärt. Zudem können Krankheiten entstehen, wenn die körpereigene ‘Müllabfuhr‘ nicht mehr richtig funktioniert“, weiß Maike Auerochs (26), Ökotrophologin und Diätassistentin am UKW. Der Selbstreinigungsprozess ist also für nichts Geringeres als für Zellverjüngung und Überleben zuständig. Auch Gene spielen beim korrekten Ablauf der Autophagie eine wichtige Rolle und nicht zuletzt das Alter. Wer nicht alt werden will, muss jung sterben, was – Hand aufs Herz – nicht wirklich eine Option ist. Also, kann richtig gesteuerte Autophagie das Altern aufhalten? „Den Lauf der Zeit kann natürlich niemand aufhalten, jedoch bieten gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und das Minimieren von Stress eine gute Möglichkeit, um positiv auf den Alterungsprozess einzuwirken.“ Ebenso dienlich sei der Verzicht auf Zigaretten, Drogen, zu welchen auch Alkohol zählt, sowie die Vermeidung beeinflussbarer Umweltgefahren, so Auerochs.

Fasten, Sport & Sirtfoods

Fasten und Sport sind Stressoren, die den Autophagie-Prozess stimulieren. Hungern verursache zweifelsohne positiven Stress, der wiederum den Selbstreinigungs-Prozess stimuliert, sagt die Ökotrophologin. Der Körper sichere sein Überleben mittels „Selbstverdauung“, bis es wieder Nährstoffe gibt. Der Müll selbst werde dabei als Energiequelle genutzt. Die Aktivierung erfolge bereits nach zwölf bis 16 Stunden Nahrungskarenz (Intervallfasten). Sogenannte Sirtfoods sind seit einiger Zeit ebenso in aller Munde, weil ihre Inhaltsstoffe die körpereigenen Enzyme Sirtuine aktivieren können und so auch die Autophagie. Lebensmittel, die zu dieser Gruppe zählen, nennt Lisa Schiffmann: „Kurkuma, Blaubeeren, Äpfel, Zitrusfrüchte, Walnüsse, Buchweizen, Grünkohl, Brokkoli, Tomaten, Rucola, Chicorée, Olivenöl, Zwiebel, Knoblauch, Grüntee oder Kaffee.“ Zudem werde Spermidin häufig in Zusammenhang mit der Autophagie genannt. „Hierbei handelt sich um ein Molekül, das in unseren Körperzellen vorkommt und Autophagie stimuliert.“ Es gibt aber auch Spermidinquellen außerhalb des Körpers etwa in Sojaerzeugnissen, Weizenkeimen, Pilzen, Hülsenfrüchten oder auch in reifem Käse.

Autophagie als Therapie

Da Krankheit die Folge eines fehlerhaft ablaufenden Autophagie-Prozesses sein kann, ist es dann umgekehrt so, dass Autophagie als Therapie herangezogen werden kann? Autophagie (speziell das Fasten) werde indirekt als Therapie bereits praktiziert, etwa beim metabolischen Syndrom, bei chronischen Entzündungen, kardiovaskulären Erkrankungen, Schmerzzuständen, atopischen oder psychosomatischen Krankheiten, so die Ernährungsberaterin in der Chirurgie I am UKW. Beim Thema „Fasten & Krebs“ scheiden sich jedoch die Geister. „Hier wird aber fleißig geforscht“ so Auerochs, „vor allem hinsichtlich der Ansprache des Fastens auf Tumortherapien sowie einer besseren Verträglichkeit einer Krebstherapie durch Fasten.“ Da Lisa Schiffmann und Maike Auerochs beide im Bereich der Onkologie tätig sind, warnen sie jedoch davor, eigenmächtig – ohne Rücksprache mit den behandelnden Ärzt:innen oder der Ernährungsberatung – vor oder während einer Krebstherapie Fastentage einzulegen. „One fits all“ gilt hier einfach nicht … weitere Kontraindikationen für Fasten seien Mangelernährung, Essstörungen, Demenz, Leber- oder Niereninsuffizienz oder Zeiten, in denen ein hoher Nährstoffbedarf besteht wie etwa Schwangerschaft und Stillzeit.

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