Schlaganfall-Netzwerk Transit-Stroke seit zwei Jahren erfolgreich in Betrieb

Uniklinikum Würzburg nutzte das zweijährige Bestehen von Transit-Stroke zu einem umfassenden Statusbericht

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Die Referenten der Statuskonferenz zeichneten ein sehr positives Bild nach zwei Jahren Transit-Stroke. Foto: Brigitte May/Uniklinikum Würzburg

Die Referenten der Statuskonferenz zeichneten ein sehr positives Bild nach zwei Jahren Transit-Stroke.
Foto: Brigitte May/Uniklinikum Würzburg

Das „Transregionale Netzwerk für Schlaganfallintervention mit Telemedizin“ zielt ab auf eine möglichst flächendeckende, hochqualitative Patientenversorgung in Unterfranken sowie in Teilen von Oberfranken und Baden-Württemberg. Das Uniklinikum Würzburg nutzte das zweijährige Bestehen von Transit-Stroke zu einem umfassenden Statusbericht.

Vor zwei Jahren vereinigten Kliniken aus Unter- und Oberfranken ihre Schlaganfallkompetenzen. Die Leitung des „Transregionalen Netzwerks für Schlaganfallintervention mit Telemedizin“, kurz Transit-Stroke, liegt bei der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). Neben einer klar gegliederten Leistungshierarchie gehört zu dem im Oktober 2014 gestarteten Kooperationsprojekt der Einsatz eines topmodernen telemedizinischen Kamera- und Bildschirmsystems. Den zweijährigen Geburtstag des Netzwerks – und die nahezu zeitgleiche Durchführung des 2.000sten Telekonsils, das für Anfang Dezember erwartet wird – nahmen dessen Akteure zum Anlass, bei einer Statuskonferenz am 24. November 2016 auf die bisherige Entwicklung zurückzublicken, den aktuellen Stand zu beschreiben sowie die zukünftigen Chancen und Herausforderungen zu umreißen.

Versorgungslücke geschlossen
„Ein Blick auf die Landkarte Süddeutschlands zeigt, dass die für eine hochwirksame Behandlung essentiellen spezialisierten Schlaganfallstationen – die so genannten Stroke Units – hauptsächlich in den Ballungsräumen konzentriert sind. In der Fläche des unterfränkischen Raums hingegen herrscht diesbezüglich eine Unterversorgung“, schilderte Privatdozent Dr. Peter Kraft bei der am UKW durchgeführten Konferenz. Laut dem Arzt der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg und Ärztlichen Geschäftsführer von Transit-Stroke trug die Organisationsstruktur des Netzwerks in den letzten zwei Jahren massiv dazu bei, diese Versorgungslücke zu schließen.

Partnereinrichtungen von Transit-Stroke sind neben dem UKW die Neurologische Klinik Bad Neustadt, das Leopoldina Krankenhaus Schweinfurt, das Klinikum Aschaffenburg, das Juliusspital Würzburg, die Neurologische Klinik des Klinikums Main-Spessart, die Main-Klinik Ochsenfurt, die Helios Klinik Erlenbach, die Capio Franz von Prümmer Klinik Bad Brückenau, die Haßberg Kliniken Haßfurt und die Helios Frankenwaldklinik Kronach. Als baden-württembergischer „Satellit“ kam im November 2016 die Rotkreuzklinik in Wertheim hinzu. Der Gesamteinzugsbereich hat einen Durchmesser von etwa 100 km und umfasst insgesamt rund 1,4 Millionen Einwohner/innen.

Alle Netzwerkkliniken zusammen behandeln pro Jahr im Schnitt um die 6.500 Schlaganfallpatienten. „Von diesen Fällen werden aktuell monatlich etwa 120 über das Transit-Netzwerk in telemedizinischen Konsilen diskutiert“, berichtete Dr. Kraft. Diese Zahl soll nach seinem Wunsch in Zukunft noch weiter steigen.

Mehr Thrombolysen durchgeführt
Eine besonders erfreuliche Entwicklung ist in seinen Augen die stark gewachsene Anzahl von durchgeführten Thrombolysen in den Kooperationskliniken der Stufe 1. „In diesen Kliniken, die über keine eigene Stroke Unit verfügen, wurde vor Beginn des Netzwerks bei ischämischen Schlaganfällen praktisch gar kein Versuch einer medikamentösen Auflösung eines Blutgerinnsels unternommen. In zwei Jahren Transit konnten hingegen etwa 70 Patienten aus Stufe-1-Kliniken dieser Therapie zugeführt werden“, unterstrich der Ärztliche Geschäftsführer.

Als weitere Erfolge der letzten zwei Jahre nennt Kraft die verbesserte neurologische Expertise gerade in den Stufe-1-Kliniken sowie die Installation eines kontinuierlichen, facettenreichen Fortbildungsprogramms, das nicht nur die Ärzteschaft, sondern auch die Pflegekräfte und Therapeuten einbezieht.

Positive Effekte auf Grund- und Regelversorger
Dr. Dirk Große Meininghaus, Chefarzt der Medizinischen Klinik I der Helios Klinik in Erlenbach am Main schilderte die Effekte, die sich für ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung aus dem Einstieg in das Transit-Netzwerk ergeben: „Die deutliche Zunahme von Schlaganfallpatienten stellte uns vor neue Herausforderungen, die aber erfolgreich gemeistert werden konnten. Dazu waren strukturelle und personelle Veränderungen nötig.“ So stellte die Helios Klinik mittlerweile zwei neurologische Fachärzte ein, die die Schlaganfallpatienten nach dem Telekonsil weiterbetreuen – und sich ansonsten auch um Patienten mit anderen neurologischen Krankheitsbildern kümmern. Dr. Große Meininghaus sprach von einem deutlichen Gewinn für die Patientenversorgung.

Vorteilhaft für die Versorgung und die Ökonomie im Gesundheitssystem
Dr. Hans Neft vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zeigte bei der Statuskonferenz auf, dass sich Transit-Stroke auch ökonomisch rechnet: „Studien zeigten, dass die Behandlungsergebnisse des Schlaganfalls in teleneurologisch mitbetreuten Kliniken ohne neurologische Hauptabteilung besser sind als in Kliniken, die nicht teleneurologisch mitbetreut sind. Den höheren Kosten der Akutbehandlung stehen signifikant niedrigere Kosten für Pflegeleistungen gegenüber, was das Netz auch gesundheitsökonomisch gesehen zu einem Erfolg macht.“

Thrombektomie als hochwirksames Behandlungsverfahren
„Man kann sagen, dass Transit-Stroke mittlerweile in einen konsolidierten Betrieb übergegangen ist. Nichtsdestotrotz besteht weiterhin Anpassungsbedarf an aktuelle Entwicklungen, wie zum Beispiel den verstärkten Einsatz der interventionellen Neuroradiologie“, betonte Prof. Jens Volkmann, der Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW. Diesen Ball nahm bei der Konferenz Prof. Mirko Pham gerne auf. „Mit dem Stent-Retriever als Schlüsselinnovation haben wir die Möglichkeit, Thromben per Katheter-Technik auch mechanisch zu entfernen“, berichtete der Direktor des Instituts für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie des UKW. Zwar seien nur etwa zehn Prozent aller ischämischen Schlaganfälle auf diesem Weg behandelbar, aber die Thrombektomie sei das aktuell stärkste Behandlungsverfahren in der akuten Gefäßmedizin, das sich zudem durch ein sehr günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis auszeichne.

„Die Herausforderung für Transit-Stroke ist es jetzt, möglichst alle Patienten, die für dieses Verfahren in Frage kommen, sicher zu detektieren und sie schnell an die entsprechenden Behandler zu überweisen“, sagte Prof. Pham. Nach seinen Angaben sind im Netzwerk neben dem Uniklinikum Würzburg auch die Neurologische Klinik in Bad Neustadt und das Leopoldina Krankenhaus in Schweinfurt in der Lage, Thrombektomien durchzuführen.

Weitere Punkte auf der Zukunftsagenda von Transit-Stroke sind laut Dr. Kraft die Evaluation der Auswirkungen der Netzwerkbildung auf die Qualität der Schlaganfallversorgung sowie eine Zertifizierung nach den Kriterien der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und/oder der DIN ISO 9001.

Evaluation der Qualität der Schlaganfallversorgung
Prof. Peter U. Heuschmann, Leiter des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg, referierte über die Evaluation der Auswirkungen der Netzwerkbildung auf die Qualität der Schlaganfallversorgung. Bislang erklärten sich über 3.000 Patienten aus allen teilnehmenden Kliniken bereit, an einer Nachbefragung drei Monate nach ihrem Schlaganfall-Ereignis teilzunehmen. „Erste Ergebnisse zeigen, dass die Patientenzufriedenheit bezüglich der Krankenhausbehandlung in allen teilnehmenden Kliniken hoch ist. Es gibt jedoch Hinweise auf einen möglichen Optimierungsbedarf an der Schnittstelle zwischen Krankenhausbehandlung und ambulanter Weiterbehandlung oder Rehabilitation“, sagte Prof. Heuschmann.

Ferner führt er aus, dass jede teilnehmende Klinik für jeden Schlaganfall-Patienten Qualitätssicherungsdaten nach den Kriterien der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung (BAQ) erfasst. „Eine erste Zwischenauswertung zeigte, dass die Behandlungsqualität im Netzwerk bereits jetzt sehr hoch ist“, so Prof. Heuschmann.

Ein weiteres seiner Projekte befasst sich mit der Verbesserung der Sekundärprävention, das heißt jeglicher Maßnahmen, die einen weiteren Schlaganfall verhindern sollen. Daten hierzu werden für 2017 erwartet.

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