Wie smart kann Liebe sein?

Hegeltag in Bamberg: Liebe in Zeiten von KI

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„Lässt sich Liebe programmieren?“, fragte der Deutschlandfunk Kultur¹ im Jahr 2018. Die Künstliche Intelligenz (KI) Sophia solle bald bedingungslos lieben können, hieß es. Mittlerweile gibt es Sophia für Zuhause². Doch sie ist nur ein Symptom. „Mikro- Gesichtsbewegungen beim ersten Date lassen erkennen, wer langfristig zueinander passt, und die Analyse von Diskussionsmustern erlaubt eine Prognose, wie lange eine gerade geschlossene Ehe halten wird“, so die Otto-Friedrich-Universität Bamberg³ anlässlich des Hegeltags 2021. „Und auch Dating-Apps arbeiten schon seit einer ganzen Weile mit Algorithmen, um immer bessere ‚Matches‘ für ihre Nutzer:innen zu generieren.“ Sind das gute Gründe, um die Partner:innensuche endgültig an smarte Prozesse zu übergeben und so „algorithmisch glücklich“ zu werden? Dr. Dorothee Halcour, psychologische Psychotherapeutin mit eigener Praxis in Bamberg, stieg in ihrem Vortrag zum 190. Todestag von Hegel mit einem Beispiel, das Sophia ähnelt, ein.⁴

Für sie ist klar: KI kann den Menschen zwar von Routineaufgaben befreien, aber das Verlieben nicht abnehmen. „Für eine partnerschaftliche Beziehung, die daraus besteht, dass beide Personen eigene Intentionen und Bedürfnisse haben, eignet sich KI nicht.“ Zurück zu den Dating-Apps. Eine der wohl bekanntesten ist Tinder. Diese App gebe es seit 2012 und habe 75 Millionen Nutzer:innen, wie Referentin Katrien Schaubroeck, Professorin für Philosophie an der Universität Antwerpen, berichtet. Hier würden die Accounts durch Algorithmen miteinander verknüpft. Dafür werde ein Verfahren zur Kategorisierung genutzt, das Nutzer:innen in psychologische Typen untergliedert. Ein neutraler Ort, an dem offene Begegnungen möglich sind, sieht anders aus – mit Folgen. So gebe es auch Apps, die es erlauben, dass Nutzer:innen Profile aufgrund von Ethnizität filtern. „Rassismus ist auf Singlebörsen ein großes Problem“, warnt Schaubroeck. Diese Auswüchse zeigten etwas Elementares: Menschen glauben zu wissen, warum sie jemanden lieben und, dass sie Eigenschaften wie Größe, Hobbies oder Augenfarbe, worauf sich ihre Liebe stütze, auflisten könnten. „Ich denke, dass es in der Tat Gründe gibt, sich zu Verlieben“, sagt Schaubroeck. „Aber wir haben ohne das Lieben selbst keinen Einblick in die Gründe, die unser Lieben verursacht haben. Auch Wissenschaftler:innen haben das nicht.“ Liebe lasse sich nicht in Kategorien pressen und sei nicht käuflich. Dorothee Halcour kann solchen Apps respektive dem Profil-Matching dennoch etwas Positives abgewinnen: „Ähnliche Werte und Weltsicht, verbindende ­Interessen und gemeinsame Ziele sind eine gute Vorhersage-Variable für die langfristige Beziehungsqualität.“ Es sei allerdings wichtig, dass Apps künftig nicht nur Präferenzen, die insbesondere das Aussehen betreffen, als Kriterien betrachten. Sie sollten vielmehr auch Bindungsmuster und Eigenschaften, die die soziale Interaktion betreffen, als Indikatoren von Liebe einbeziehen.

Quellen:
¹www.deutschlandfunkkultur.de/die-kuenstliche-intelligenz-sophia-laesst-sich-liebe-100.html,
²mixed.de/ihr-koennt-jetzt-robofrau-sophia-kaufen-wenn-ihr-reich-seid/,
³www.uni-bamberg.de/events/hegelwoche/2021/ und www.uni-bamberg.de/news/artikel/2021-hegeltag/,
www.ichbindeinmensch.de/

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