„Wer Angst hat, macht Fehler“

Beim Kurs „Living around Ebola“ im Missionsärztlichen Institut lernen Entwicklungshelfer aus ganz Deutschland ohne medizinischen Hintergrund, sicher in Westafrika zu leben und zu arbeiten ...

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Die UV-Lampe bringt es an Licht: Gisela Bednarek hat das Desinfektionsmittel perfekt auf ihre Hände aufgetragen.  Foto: Elke Blüml/Missionsärztliches Institut

Die UV-Lampe bringt es an Licht: Gisela Bednarek hat das Desinfektionsmittel perfekt auf ihre Hände aufgetragen.
Foto: Elke Blüml/Missionsärztliches Institut

Würzburg (MI): Die ultravioletten Strahlen bringen selbst die kleinste Nachlässigkeit ans Licht. Als Gisela Bednarek ihre Hände unter die blau leuchtende Lampe hält, ist sie zufrieden. Die gelernte Industriekauffrau hat gerade im Hanna-Decker-Haus des Missionsärztlichen Instituts (MI) unter fachkundiger Anleitung ihre Hände mit einem Desinfektionsmittel eingerieben und prüft nun das Ergebnis: keine dunklen Flecken, die Lösung bedeckt die Hände lückenlos.

Wenn Bednarek als erste Vorsitzende des Vereins „Hilfe Direkt Oldenburg-Sierra Leone“ in wenigen Wochen nach Bo geht, um dort das Gila Hospital zu unterstützen, will sie optimal vorbereitet sein auf das Leben und Arbeiten in dem Land, in dem Ebola noch immer nicht unter Kontrolle ist.

Auch die zwölf anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses „Living around Ebola“ für nichtmedizinische Fachkräfte in Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit wollen während ihrer bevorstehenden Einsätze in Westafrika gesund bleiben.

Drei Tage lang erfahren die Frauen und Männer aus ganz Deutschland Wissenswertes unter anderem über die Epidemiologie des aktuellen Ebola-Ausbruchs, über medizinische Hintergründe und Übertragungswege. Sie lernen auch, was sie beachten müssen, um sich nicht selbst zu gefährden. Die Frauen und Männer gehen nicht als Mediziner nach Westafrika, haben also keinen geplanten Kontakt zu Patienten.

Trotzdem müssen sie dort damit rechnen, mit Ebola-Infizierten in Kontakt zu kommen. Deshalb stehen neben Planspielen und Impulsvorträgen auch praktische Übungen auf dem Stundenplan – von der Händedesinfektion über den korrekten Gebrauch von Schutzhandschuhen bis zur Herstellung einer Desinfektionslösung.

Lehrlaborantin Hanne Fleischmann, ausgestattet mit einigen Gefäßen und einem Taschenrechner erklärt ihnen, wie man auf der Basis einer handelsüblichen Chlorbleiche Desinfektionslösungen herstellt – höher konzentriert zum Reinigen von Flächen und Böden, in niedrigerer Konzentration für die Handreinigung.

Gisela Bednarek praktiziert das an diesem Nachmittag im MI-Labor zum ersten Mal und lernt anhand einer Formel das richtige Mischungsverhältnis zu errechnen. Wie man Hände gründlich wäscht und desinfiziert, das wusste sie schon vorher. Wie intensiv das passieren muss, sei ihr aber früher nicht so bewusst gewesen, räumt die 68-Jährige ein, die Sierra Leone seit mehr als 20 Jahren kennt und auch dort war, als im vergangenen Jahr Ebola ausbrach. „Man kann nicht gründlich genug sein“, sagt sie.

Umarmen verboten

Die gleiche Ansicht vertritt Dr. Gisela Schneider. Sie ist die Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm) in Tübingen, mit dem das Institut den neuen Kurs für Nichtmediziner unter dem Dach der Akademie für Globale Gesundheit und Entwicklung (AGGE) veranstaltet.

Die Ärztin bestätigt in ihrem Vortrag, dass Hände das gefährlichste Medium für eine Übertragung des gefährlichen Ebola-Virus sind – aus ihrer Sicht „die wichtigste Botschaft überhaupt“. Das bedeutet: kein Händedruck, keine Umarmung. „Das muss man durchhalten, auch wenn es manchmal schwerfällt.“

Was mögliche Ansteckungswege angeht, kann Schneider die Kursteilnehmer ein wenig beruhigen: Das Virus fliegt nicht und kann nur bei direktem Kontakt mit Schleimhäuten oder verletzter Haut übertragen werden – und das nur von Menschen, die bereits erkrankt oder an Ebola gestorben sind. Trotzdem rät Schneider, sich immer über mögliche Risiken bewusst zu sein. Bei Fieber und anderen Symptomen wie starkem Durchfall und Erbrechen sei von einem Verdachtsfall auszugehen.

Schneiders Kollege Prof. Dr. August Stich empfiehlt den Teilnehmern eine optimale medizinische Vorbereitung auf ihren Einsatz. Dazu zählt der Chefarzt der Tropenmedizinischen Abteilung der Missionsärztlichen Klinik Impfungen und einen effektiven Schutz vor Malaria.

Wer im Ebolagebiet arbeite, müsse nicht nur auf andere achten, sondern vor allem auf sich selber. „Sie dürfen nicht krank werden, auch nicht innerhalb von 21 Tagen nach Ihrer Rückkehr“, lautet sein Appell. „Wenn Sie hier Fieber kriegen, dann ist ganz schön was los. Davor wollen wir Sie bewahren.“

Zu den allgemeinen Verhaltensregeln gehöre auch, die Haut vor Infektionen zu schützen oder genau auf Essen und Trinken zu achten. Eine Teilnehmerin, die fragt, ob sie auf Salat verzichten muss, kann Stich beruhigen: Beim Salatessen wird das Virus nicht übertragen, eher beim Einkauf der Ware auf dem Markt.

Hausaufgabe Notfallplan

Für Mehmet Kutlu, der in wenigen Tagen nach Monrovia fliegt, ist das sicher eine interessante Information. Der Elektrotechniker reist zusammen mit seiner Frau Rebecca Hackstein nach Sierra Leone aus und wird die erste Zeit zu Hause sein.

Später will der 39-Jährige im Auftrag einer Nichtregierungsorganisation Straßenkinder in seinem Beruf ausbilden. In Sierra Leone war er bereits im vergangenen Jahr, musste das Land aber verlassen, als die Epidemie ihren Höhepunkt erreicht hatte. Er habe in den drei Kurstagen viel dazugelernt, sagt Kutlu.

Vor dem Abflug muss er noch ein paar „Hausaufgaben“ erledigen. Zusammen mit seiner Frau wird er verschiedene Notfallpläne aufstellen, „falls mir oder meiner Partnerin etwas passiert“.

Dass eine gute Vorbereitung das A und O ist, hat er auch aus dem Kurs mitgenommen. Dazu die Erkenntnis, dass man unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen auch in einem Epidemiegebiet leben und arbeiten kann, wie Gisela Schneider es formuliert hat.

Bei allen Sicherheitsvorkehrungen müsse man noch gut leben können und dürfe nicht paranoid werden, ist sie überzeugt. Gisela Bednarek denkt in die gleiche Richtung. Angst hat sie nicht, Respekt schon.

Wer Angst habe, mache Fehler, wer zu cool sei, begebe sich auch in Gefahr. „Wenn es mich erwischt, kann ich es nicht ändern, ein Restrisiko bleibt.“

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