Tu, was Dir  guttut!

Sport-Physiotherapeutin Anna Gottschlich über das Dehnen

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Die Übungen dienen zur Verbesserung der Beweglichkeit, zur Verbesserung des Gleichgewichts, zum Ausgleich muskulärer Dysbalancen und als Verletzungsprophylaxe. Angeraten seien  bis zu 15 Wiederholungen pro Körperseite, so die Trainerin Gottschlich. Foto: ©Maren Sielemann

Die einen sehen Dehn-Übungen als leistungssteigernde „Allzweckwaffe“. Für die anderen sind sie das Gegenteil. „Tatsächlich sind die Meinungen gespalten“, sagt Anna Gottschlich, Sport-Physiotherapeutin aus einer Praxis in Oberdürrbach. Für sie ist der Zusammenhang entscheidend. Was sind persönliche Ziele? Was will ich erreichen? Wenn die junge Frau an Breitensport denkt, dann sei Dehnen oftmals eher kontraproduktiv. Denn nicht selten werde falsch gedehnt.

„Meiner Meinung nach genügt es niemals, nur den Muskel in einer Position zu halten. Wir haben immer eine Einheit, ein komplettes System, den ganzen Körper zu beachten – also eine Dehnung im Gesamtpaket“, so die Hobby-Sportlerin. „In bestimmten Spitzensportarten wie Ballett, Eiskunstlauf oder Kampfsport, ist das Dehnen allerdings leistungssteigernd und auch notwendig.“

Der Grund: Hier würden Extrembewegungen wie zum Beispiel hohe Kicks, in den Gelenken vollzogen. Dabei müsse über die ganze Muskellänge gedehnt werden. Nur so könne die Bewegung optimal ausgeführt werden. Doch was passiert dabei im Körper? „Durch das Dehnen wird die Muskulatur für eine bestimmte Zeit über ein Gelenk verlängert. Das passiert (leider) meist passiv“, erklärt Anna Gottschlich aus der Physiotherapiepraxis Sielemann.

Schutz vor Verletzungen bringe das nur bedingt. Im Breitensport würden in der Regel keine Extrembewegungen verlangt. Auch in der Wissenschaft werde die verletzungsprophylaktische Wirkung kontrovers diskutiert¹. Leistungssport auf der anderen Seite sei nicht mit Gesundheitssport zu verwechseln, denn er sei „nie gesund“.

Hier gehe es nicht nur um Verletzungsprophylaxe, sondern darum, das Ziel an sich, also die Muskelverlängerung zu erlangen. Davon, damit Muskelkater zu verhindern, möchte sie in keinem der beiden Fälle sprechen. Stellt sich noch die Frage, ob vor oder nach dem Sport dehnen. Ja, Gottschlich ist überzeugt. Vor dem Breitensport sei Dehnen nicht anzuraten. Denn dabei werde die Muskelspannung heruntergefahren, es komme zu einem Kraftverlust. Beim Sport wolle man das aber nicht erlangen.

„Beim Fußball und Basketball zum Beispiel gibt es jedoch die sogenannten Movement Preps², also Übungen vor dem Sport“, weist die Physiotherapeutin auf Ausnahmen hin. Und wie sieht es nach der körperlichen Aktivität aus?

„Demjenigen, dem ein Mobilisieren wichtig ist und guttut, der kann das machen. Wichtig ist aber, ob davor, danach oder zwischendurch: Es darf spürbar sein, muss aber immer im schmerzfreien Bereich bleiben“, plädiert Anna Gottschlich für eine individuelle Sicht auf das Thema. Ist beim Sport doch etwas passiert, sei ­Vorsicht geboten.

„Im Falle einer Muskelzerrung oder eines Faserrisses sollte sechs Wochen nicht gedehnt werden“, appelliert Gottschlich mit Blick auf einen „Kardinalsfehler der breiten Masse“. Genau das könne zu Verknöcherungen im Sehnensystem und letztlich zu Bewegungseinschränkungen führen.

Quellen:
¹https://www.trainingsworld.com/sportexperten/dehnen-pro-contra-aktuellen-diskussion-2909120,
²https://edu.real-euro.de/wp-content/uploads/2015/01/Kraft%C3%BCbungen-Core-Programm.pdf

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