Das Momentum leben

Isabelle Meid, Coachin für Stressbewältigung und Resilienz, über Trigger und Glimmer

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Isabelle Meid ©Daniel Pinho

Auf dem Boden der Tatsachen liegt eindeutig zu wenig Glitzer … Glimmer-Momente können da Abhilfe schaffen. „Glimmer sind das Gegenteil von (Stress-)Triggern – also Mikro-Momente, in denen wir uns entspannt und sicher fühlen. Die kleinen Freuden des Alltags, wie eine Tasse Kaffee mit einem guten Freund, ein Blumenstrauß ohne Anlass oder die Sonne, die einem ins Gesicht scheint beim Spazierengehen und uns tief durchatmen lässt“, weiß Gesundheitstrainerin Isabelle Meid. Wir leben von Urlaub zu Urlaub, in einer Hochleistungsgesellschaft voller Reize und oft überfülltem Terminkalender. Dadurch verändert sich unsere Wahrnehmung. Das gestresste Gehirn hält dann eher Ausschau nach potenziellen Gefahren und Negativem im Alltag, den Triggern. Doch nicht genug damit, seit einigen Jahren jagt auch noch eine Krise die andere. „Das macht etwas mit den Menschen und der Stress-Verarbeitung des autonomen Nervensystems“, so die Resilienz-Trainerin. Es falle immer schwerer zu entspannen. „Und wenn es zu lange zu viel ist, spaltet sich der Körper ab. Das ist sein Schutzmechanismus!“ Chronische Verspannungen, Schmerzen und innere Unruhe seien die Folge, so Meid. Wieder Verbindung herzustellen zu unserem Körper, damit wir wieder in unsere Mitte, respektive das Nervensystem wieder in die Balance finden kann, das hat sich die Gesundheitstrainerin zur Aufgabe gemacht. Etwa mit der Neurosystemischen Integration® nach Verena König, die helfen könne, chronische Stress-Muster zu regulieren und „abgespaltene Teile“ wieder zu integrieren. Das Körpergedächtnis (implizites Gedächtnis) ist wie ein Elefant, es vergisst nichts. In den ersten Lebensjahren speichern wir hier unsere Erfahrungen. Daher werde man oftmals von Äußerungen oder Handlungen im Heute getriggert, deren Ursprung eigentlich in der Kindheit lag. Dies zu verstehen, neu einzuordnen und auf Ebene des Körpers respektive des Nervensystems zu integrieren, sei eine lohnenswerte Aufgabe. Die alte Stress-Anspannung im Körper könne sich lösen, die Energie zurückfließen und uns im Alltag wieder zur Verfügung stehen. Wenn das eigene Glas voll ist, könne man wieder mehr abgeben. „Das Geben hat dann eine andere Qualität, die auch andere spüren.“ Der größte Gegenspieler, der sich uns bei Veränderungsprozessen in den Weg stelle, seien wir selbst respektive unser Gehirn, das ökonomisch arbeite und daher gerne alte Muster reinszeniere, so die Expertin. Bei Stress, also im Kampf- und Fluchtmodus, schütte der Körper Cortisol und Adrenalin aus. Sind wir latent gestresst, ist unser Körper an diesen Hormon-Cocktail gewöhnt. Fehle das, sei der Körper auf „Entzug.“ Man käme dann schlecht zur Ruhe, und Entspannung werde als unangenehm empfunden, so die Yoga-, Achtsamkeits- und Meditationslehrerin. „Über die Arbeit mit dem Nervensystem können wir das wieder lernen!“ „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert“, wusste schon Albert Einstein. Und trotzdem verfahren wir nach diesem Prinzip  doch alle immer wieder. Warum? Weil es bekannt ist und sich das für unser Gehirn und unseren Körper „sicher“ anfühlt. Und weil so der innere Schweinehund nicht Gassi geführt werden muss. Psychosomatische Beschwerden, Schlafprobleme, chronische Entzündungen, Erschöpfungssyndrome, Ängste und Depressionen können die Folge sein. Spätestens dann müssen wir unsere vermeintliche Komfortzone verlassen und etwas ändern. Isabelle Meid plädiert dafür, viel früher anzusetzen … etwa durch das Lernen der Sprache unseres Nervensystems, das Erkennen von alten Mustern sowie inneren Antreibern (Psycho-Edukation), Körperarbeit wie Sensomotorik (wir berichteten) und somatische Regulationstechniken. Die Einzel-Coachings von Isabelle Meid spiegeln genau das wider und sind Psychohygiene und Körperregulation in einem. Für die Begleitung im Alltag gibt sie ihren Klient:innen zudem Techniken an die Hand, die dann angesagt sind, wenn etwa der Sympathikus zu „hochtourig“ unterwegs ist und wir schlecht abschalten können. Beispiele sind hierfür die Erde-Schwerkraft-Übung, die Vagusnerv-Stimulation oder ausgewählte Atemtechniken. „Der Wunsch und die Suche nach Sicherheit, Frieden und Verbundenheit mit anderen ist in unserer Biologie tief verankert. Das kann jedoch nur gelingen, wenn wir bei uns selbst anfangen, uns innerlich befrieden“, so Meid. Also, carpe diem? Es muss nicht gleich ein ganzer Tag sein. Oftmals reicht es auch, das Momentum zu leben.

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