Teure Preise, gute Besserung?

Apotheker Dr. Helmut Strohmeier über die Preisgestaltung von Arzneimitteln

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Der Deutsche Ethikrat hat sich letztes Jahr auf seiner Jahrestagung mit dem Thema beschäftigt „Hohe Preise, gute Besserung? Wege zu einer gerechten Preisgestaltung bei Arzneimitteln“. Denn für immer mehr Krankheiten scheint Heilung in Sicht: Die personalisierte Krebsmedizin nimmt Fahrt auf und viele seltene Erkrankungen werden therapierbar. Die Krux, die Arzneien hierfür sind sehr teuer. Beispielsweise gibt es ein neues hochwirksames Mukoviszidose-Medikament. Die monatlichen Arzneimittelkosten liegen bei rund 21.000 Euro pro Patient:in, die Produktionskosten werden auf 450 Euro im Monat geschätzt. Dr. Dario Trapani, US-amerikanischer Onkologe, sagte beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie im letzten Jahr, dass wir uns schon leisten könnten, was wir wollen, wenn wir es nur wollten … und spielte damit auf eine grundlegende Änderung des Geschäftsmodells bei der Preisgestaltung von Arzneien an. Pharmazeut und Apotheker Dr. Helmut Strohmeier stößt in das gleiche Horn, bricht aber eine Lanze für die Hersteller von Arzneimitteln, deren Entwicklungskosten für eine neues Medikament nicht selten zwischen 900 Millionen und mehreren Milliarden Euro liegen. „Bei zehn bis 15 Jahren Forschungs- und Entwicklungszeit und Medikamenten, die es wahrlich nicht alle ans Krankenbett schaffen, müssen die Hersteller alle Kosten auf das Medikament, das dann zugelassen wird, umlegen“, erklärt Strohmeier. Früher als die Pharma-Industrie noch Standorte in Deutschland hatte und, nachdem der Patentschutz für ein Präparat ausgelaufen war, auch an ihren entwickelten, festbetragsfreien Arzneien noch Gewinne erzielen konnte, sei es eine Mischkalkulation gewesen. Heute müssen die kompletten Entwicklungskosten in den wenigen Jahren, die nach der Markteinführung noch unter  den Patentschutz fallen, erwirtschaftet werden. Ein teures Unterfangen für die Solidargemeinschaft. Einerseits. „Andererseits“, so kontert Strohmeier, „sind es auch die Kassen gewesen, die durch Rabattverträge die Hersteller zur Verlagerung ihrer Produktionsstätten ins kostengünstigere Ausland zwangen. Mit Folgen, die wir zugespitzt in der Corona-Pandemie erleben durften. Gängige Arzneien wie Schmerzmittel, Fiebersäfte für Kinder oder auch Krebsmedikamente waren nicht verfügbar.“ Um die Kosten für die Solidargemeinschaft niedrig zu halten, sei „billig, billig, billig“ lange die Devise der Krankenkassen beim „Preisdiktat“ für Generika gewesen. Gut gemeint, aber nicht gut gemacht? „Genau, und das rächt sich jetzt“, betont Dr. Strohmeier. Biontech, das Biotechnologieunternehmen mit Sitz in Mainz, das den Covid-19-Impfstoff entwickelte und sich nun auf die Herstellung von Immuntherapien zur Behandlung von Krebs und anderen schweren Erkrankungen konzentriert, verlagert seine Forschungs- und Entwicklungsstätten hierfür nach England. In Großbritannien gehe die Arzneientwicklung schneller vorwärts, da Unternehmen und Behörden eng zusammenarbeiten, heißt es in einer Pressemeldung von Biontech. „Wir geben zukunftsfähige Arzneimittel aus der Hand wegen bürokratischer Auflagen und Rahmenbedingungen, die Deutschland als Standort für Arzneimittelhersteller unattraktiv machen“, so der Pharmazeut. „Es braucht strukturelle und nachhaltige Lösungen, damit auch wir bei der Arzneimittelproduktion von morgen einen Fuß in der Tür behalten und uns aus Abhängigkeiten von Drittländern außerhalb der EU befreien.“ Dann würde auch die Nichtverfügbarkeit von gängigen Medikamenten wie etwa Paracetamol der Vergangenheit angehören.

Dr. Strohmeier ©Norbert Schmelz Fotodesign

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