Stille im Kopf

Gastbeitrag von Zen-Meister Dr. Alexander Poraj: „Ich habe so viel, bin aber selten zufrieden“

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Foto: Dr. Alexander Poraj ©Thomas Appel

Den Statistiken zur Folge sollten wir als Deutsche zu den zufriedensten Menschen der Welt gehören. Wir sind aber nicht zufrieden. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, wo die Menschen viel ärmer, aber glücklicher sind. Am Ende bleiben wir bei der üblichen Feststellung, Besitz, Geld und Wohlstand seien nicht das Wichtigste im Leben, es komme auf ganz andere Werte an. Gesetzt den Fall, es ist wirklich so: Die anderen sind glücklicher, weil sie weniger Besitztümer haben, was ihnen erlaubt, sich anderen Werten zuzuwenden.

Warum ist es uns dann nicht möglich, auf das eine oder andere zu verzichten zugunsten des Glücklichseins? Ich behaupte, dass wir nicht verzichten, weil wir nicht wirklich davon überzeugt sind, dass diese Annahme stimmt. Oder anders gefragt: Ist das Glücklichsein vom Haben oder Nichthaben abhängig?

Schaue ich auf mich selbst und die Personen in meinem Freundeskreis, so finde ich keine zwingende Verbindung zwischen Wohlstand und Glücklichsein. Also schauen wir erneut auf den Zustand des Zufriedenseins und fragen nicht nach seiner Abhängigkeit von anderen Ereignissen, sondern auf diesen selbst. Was geschieht, wenn wir Zufriedenheit erleben? Das Auffälligste an diesem Zustand ist die Tatsache, dass wir mit uns im Frieden sind. Der Friede macht sich bemerkbar, dass man ihn nicht bemerkt, dass es still ist, still im Kopf.

Zufriedenheit hat also etwas mit Frieden zu tun. Sie geschieht durch das „Ein“-verstandensein mit dem, was ist. Wir erleben das, was ist, so wie es ist, und denken nicht sofort daran, wie es anders sein könnte. Dieser Zustand der inneren Stille wird als beglückend und erfüllend erlebt. Wir sind aber nur dann bereit mit dem, was ist, einverstanden zu sein, wenn es in uns angenehme Gefühle auslöst. In allen anderen Fällen setzt sich der mentale Geist sofort in Bewegung und denkt sich etwas Besseres aus. Entweder, weil wir Zufriedenheit mit ganz bestimmten Gefühlen gleichsetzen, oder mit Konzepten von Richtig und Falsch.

Und weil wir uns immer etwas vorstellen können, das besser wäre als das, was gerade ist, erleben wir die Zufriedenheit als ein flüchtiges Ereignis und sind meist unzufrieden.

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