Sorge tragen für sich selbst

Benediktinerpater und Zen-Meister Willigis Jäger (90) über die „Rentabilität“ von Achtsamkeit

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3000 bunte, von Hand gefaltete Origami-Kraniche bekam der Zenmeister aus aller Welt zu seinem 90. Geburtstag geschickt. Der Kranich ist in Japan ein Symbol des Glücks und der Langlebigkeit, und wer tausend Kraniche faltet, sagt die Legende, hat einen Wunsch frei. Foto: Daniel Peter, Monika Prestel, Benediktushof

3000 bunte, von Hand gefaltete Origami-Kraniche bekam der Zenmeister aus aller Welt zu
seinem 90. Geburtstag geschickt. Der Kranich ist in Japan ein Symbol des Glücks und der
Langlebigkeit, und wer tausend Kraniche faltet, sagt die Legende, hat einen Wunsch frei. Foto: Daniel Peter, Monika Prestel, Benediktushof

Ein Schlüssel zum Verständnis der „Zeit“ heißt Achtsamkeit. „Das Leben liegt im Hier und Jetzt, im Augenblick des Alltags. Im Grunde tun wir auf unserem spirituellen Weg nichts Besonderes, wir versuchen, den Augenblick zu leben.

Da sind wir zu Hause, da sind wir unserem Seinsgrund am nächsten“, so der Seelsorger und einer der einflussreichsten Mystiker der Gegenwart, Willigis Jäger. Mal ehrlich, wie oft ertappen wir uns dabei, etwas möglichst schnell erledigen zu wollen, damit wir Zeit für etwas haben, was wir für unser wirkliches Leben halten.

Doch der Stapel an unerledigten Dingen wird nie abgearbeitet sein, was in der logischen Konsequenz bedeutet: Wir werden nie wirklich Zeit zu leben haben.

Von daher „Carpe diem!“, aber nicht so, dass uns Termine und Pflichten nicht mehr kümmern, sondern so, dass das eine mit dem anderen eine harmonische Liaison eingeht.

Aufmerksamkeit leben

Schön gesagt, wird sich der ein oder die andere nun denken, aber hat das etwas mit der Realität zu tun oder noch besser gefragt, lässt sich das in der Realität unserer High-Speed-Gesellschaft, von der wir alle mehr oder weniger Teil sind, umsetzen? In der Tat und nur dort im Hier und Jetzt unserer einzigen Realität, die wir haben.

Einfach schon mal dadurch, dass wir nicht ständig „in Gedanken“ sind. Meist beschäftigen wir uns, selbst in einem Gespräch mit einem Gegenüber gedanklich schon mit der To-Do-Liste von Morgen oder noch mit dem Streitgespräch von gestern Abend.

Unsere Aufmerksamkeit ist nicht immer da, wo unser Leben gerade stattfindet, nämlich in der Gegenwart. Wenn wir dieser Zeit unsere volle Aufmerksamkeit widmen würden, wäre schon viel gewonnen und vor allem keine kostbare Zeit verloren (nicht monetär gedacht!).

Die wichtigste Zeit ist das Jetzt

Der gebürtige Hösbacher Wunibald Jäger schiebt unserem Intellekt den schwarzen Peter zu. Dieser halte uns in den meisten Fällen davon ab, Sorge für uns selbst zu tragen, nur den Blick auf Ökonomie und
Effektivität gerichtet.

Was auf den ersten Blick nicht „rentabel“ zu sein scheint, ist das einzige, was uns wirklich etwas bringt – nämlich wahres Leben! Es ist natürlich auch oft angenehm, mehreres gleichzeitig zu tun, beschäftigt und abgelenkt zu sein, so dass einen nichts wirklich angreifen kann, weil es ja gar nicht nah genug herankommt.

Aber auch diese Medaille hat zwei Seiten: Nicht nur das Traurige, Belastende und Schreckliche kommt nicht mehr bei uns an, sondern auch das Schöne, Liebevolle und Berührende. Präsent zu sein macht unser Leben tief und Präsenz entsteht aus Achtsamkeit heraus!

Die Trainerin für Mindfulness-Based Stress Reduction, Ferris Urbanowski, sagt: „Achtsamkeit hat eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie: Die Gute ist, dass Sie intensiver wahrnehmen. Die Schlechte ist, dass Sie intensiver wahrnehmen“.

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