Selbstliebe: das Ja zum Nein

Ein Gastbeitrag von Diplom-Theologin und Gestalttherapeutin Irene Schneider

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Die Beziehung zu mir selbst ist die längste Beziehung im Leben und von der Qualität dieser Beziehung hängt wesentlich ab, wie ich das Leben erfahre und gestalte. Selten gab es einen solchen Drang zur Selbstdarstellung- und optimierung wie aktuell durch die sozialen Medien. Selbstliebe ist das Gegenteil von egoistischer Selbstbezogenheit oder narzisstischer Selbstverliebtheit. Selbstliebe bedeutet, dass ich mich selbst und alles, was mich ausmacht, in das Energiefeld der Liebe einbeziehe. Ich sage Ja zu dem was ist, was mein Leben aktuell ausmacht, was meine Wirklichkeit ist. Ich empfinde Mitgefühl für mich selbst, gerade wenn ich mich in einer schwierigen Situation befinde oder Selbstzweifel erlebe. Ein Satz wie „Ich bin nicht genug“ mit all seinen individuellen Variationen lässt uns streng und kritisch mit uns selbst umgehen. In der Selbstliebe verbinde ich mich mit mir und allen Aspekten, die ich gerade an mir wahrnehme, auch jenen, die ich ablehne. Selbstliebe bedeutet somit radikale Bejahung: Ja auch zum Nein, das ich im Augenblick mir selbst gegenüber spüre. In der Folge kann es sogar passieren, dass das mir selbst entgegengebrachte Nein durch die Kraft des Ja verwandelt wird. Selbstliebe ist dabei absichtslos. Ein solches Ja und die Verbundenheit sind dabei nicht ein Ergebnis meiner aktiven Bemühungen. Sie sind vielmehr schon immer da und ich öffne mich dafür im Hier und Jetzt. Solche Selbstliebe wirkt: Ich lasse mich in das Energiefeld der Liebe hineinnehmen und von ihr durchströmen; ich lasse mich lieben mit meiner „Wunde der Ungeliebten“, wie sie Peter Schellenbaum nennt. Diese Art der Selbstliebe oder besser gesagt: des Geliebtwerdens als ein Sein in der Liebe wird zur Quelle einer Liebes- und Lebenskraft, die mich lebendig sein lässt, weiterfließt zu den Menschen und sich ausdrückt als ein engagiertes Ja zum Leben.

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