Schwere Geburten

Die hohen Versicherungsprämien zwingen immer mehr Hebammen zur Berufsaufgabe

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©depositphotos.com/@ oksixx

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Hebammen begleiten Frauen vor, während und nach der Geburt. Sie versorgen den Nabel, helfen beim richtigen Umgang mit dem Säugling und leiten junge Mütter beim Stillen an.

Sie üben also einen durch und durch essenziellen Beruf aus. Dennoch ist ihre Existenz massiv bedroht.

„Durch das Auslaufen des Haftpflichtversicherungsangebots 2016 droht freiberuflichen Hebammen das faktische Berufsverbot“, betont Gabriele Brotzeller von der „Initiative für die Erhaltung und Verbesserung der Geburtshilfe in Würzburg“.

Die engagierte Mutter verweist auf den Bayerischen Hebammenlandesverband, dem zufolge gerade in Bayern viele Kreißsäle durch Beleghebammen getragen werden. Diese Kreißsäle drohen nun zu verwaisen.

„Immer mehr Hebammen schränken aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen Erschöpfung und Frustration durch den andauernden Existenzkampf ihr Angebot ein oder kehren sich ganz von ihrem Beruf ab“, weiß Brotzeller.

Dies bedeute für Eltern, dass immer weniger außerklinische Geburten möglich seien und Nachsorge-Hebammen fehlen: „Familien werden also mit dem Neugeborenen zuhause allein gelassen.“

Die vor 17 Jahren gegründete Hebammenpraxis Würzburg stieg aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen inzwischen aus der Geburtshilfe aus, bestätigt Hebamme Anne Matt-Wendel: „Momentan bieten wir das nicht an.“

Darum steigen die Versicherungsprämien des Teams auch nur um fünf Prozent: „Bei den Hebammen, die Geburtshilfe leisten, steigen sie dagegen um 23,25 Prozent.“

Hebammen, die Hausgeburten machen wollen, müssen mindestens sechs Geburten betreuen, um die Versicherungsbeiträge zu finanzieren. Matt-Wendel: „Es ist also unmöglich geworden, nur wenige Geburten im Jahr zu begleiten, so wie wir das in den ersten Jahren in der Praxis noch anbieten konnten.“

Der Würzburger Hebamme zufolge wird es finanziell immer enger für Hebammen: „Der Arbeitsaufwand und auch der Bedarf steigen gleichzeitig enorm, da viele Hebammen ihren Beruf aufgeben oder erst gar nicht mit der Ausbildung beginnen.“

Auch die Hebammenpraxis in der Moltkestraße kann längst nicht mehr alle Frauen annehmen, die sich wegen einer Wochenbettbetreuung melden.

Deutschlandweit haben aktuell rund 16.000 freiberufliche Hebammen eine Berufshaftpflichtversicherung, informiert Hasso Suliak vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Allerdings leisteten aktuell nur noch 3.000 tatsächlich Geburtshilfe: „Für diese Hebammen sind die Versicherungsbeiträge in der Tat stark angestiegen und liegen mittlerweile auf einem Niveau, das im Vergleich zum Einkommen der Hebammen sehr hoch ist.“

Der Grund für die steigenden Prämien liegt Suliak zufolge allerdings nicht in einer höheren Anzahl von Schäden: „Freiberufliche Hebammen verursachen nur sehr selten Geburtsschäden.“

Insgesamt gebe es bundesweit jährlich nur 10 bis 15 schwere Schädigungen bei der Geburt.

„Wir hatten in 17 Jahren noch keinen einzigen Schadensfall“, betont die Würzburger Hebamme Matt-Wendel: „Haftbar sind wir aber laut Vertrag 30 Jahre.“

Auch sind die Folgekosten für jeden schweren Fehler immens hoch, ergänzt Hasso Suliak: „Die Forderungen belaufen sich heute auf durchschnittlich 2,6 Millionen Euro pro Fall. Das sind über eine Million Euro mehr als noch 2003.“

Im Schnitt müssten die Versicherungen jedes Jahr über 30 Millionen Euro für schwere Geburtsfehler ausgeben (bei rund 11,5 Schadensfällen im Jahr).

Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Würzburger Uni-Frauenklinik, bestätigt, dass schwere Komplikationen bei der Geburt sehr seltene Ereignisse sind.

Dies liege daran, dass die Überwachungsmöglichkeiten in der Klinik von Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt immer ausgefeilter wurden. Allerdings sei die Sensibilität gegenüber potentiellen Schadensfällen gestiegen: „Daher werden mehr Einzelfälle als früher durch deutsche Schiedsstellen und Gerichte gutachterlich untersucht.“

Die Frauenklinik der Würzburger Universität wird Wöckel zufolge durch die steigenden Versicherungsprämien nicht berührt, da sie mit fest angestellten Hebammen arbeitet.

Nach Ansicht von Gabriele Brotzeller reicht das Personal allerdings nicht aus. Der Hebammen-Betreuungsschlüssel in Kliniken ist seit 1993 unverändert, so die Sprecherin der „Initiative für die Erhaltung und Verbesserung der Geburtshilfe in Würzburg“.

Was an der zu geringen Finanzierung über die Fallpauschalen liege. Kliniken, so Brotzeller, müssten deutlich mehr Geld für Geburtshilfe-Leistungen bekommen: „Dann gäbe es auch finanziellen Spielraum für mehr Personal.“

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