Neue Hausärzte braucht das Land!

Dr. Edgar Gramlich aus dem Landkreis Kitzingen über Nachwuchsprobleme im (haus)ärztlichen Bereich

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Dr. Edgar Gramlich, Facharzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin in Albertshofen. Foto: privat

Dr. Edgar Gramlich,
Facharzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin
in Albertshofen. Foto: privat

Eine Befragung von 10.000 ambulant tätigen Ärzten und Psychotherapeuten, durchgeführt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für den „Ärztemonitor 2014“, machte eine besorgniserregende Entwicklung deutlich:
Fast jeder vierte niedergelassene Arzt in Deutschland möchte bis 2020 seine Praxis aufgeben – 58 Prozent der Befragten haben jedoch bis dato noch keinen Nachfolger gefunden.

Es drohen Versorgungslücken.

Ein Problem, auf das Dr. Edgar Gramlich, Facharzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin in Albertshofen (Landkreis Kitzingen), schon lange aufmerksam macht. Lebenslinie hat mit dem 63-Jährigen gesprochen.

Lebenslinie (L): „Sie betreiben seit 1987 eine eigene Praxis und haben Ihren verdienten Ruhestand schon vor Augen – doch Sie finden niemanden, der Ihre Praxis übernimmt?“

Dr. med. Edgar E. Gramlich (EG): „Das Problem habe nicht nur ich: Die Hälfte der Hausärzte hier im Landkreis Kitzingen sind im Durchschnitt 58 Jahre alt. Und sie haben zum Großteil noch keine Nachfolger
gefunden.“

L: „Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen?“

EG: „Es gibt viele Gründe. Zum einen ist ein Hausarzt quasi Facharzt für alles – dementsprechend
anspruchsvoll und langwierig ist die Ausbildung. Oft fungiert man als Weiterbehandelnder der Fachärzte und Kliniken, zugleich ist man eine Art Koordinator im Gesundheitswesen. Für viele Patienten ist
man auch bei nichtmedizinischen Sorgen die erste Anlaufstelle.“

L: „Klingt nach einem verantwortungsvollen und abwechslungsreichen Beruf?“

EG: „… der einen auch zeitlich ganz schön in Anspruch nimmt. 12-Stunden-Tage sind keine Seltenheit. Dabei kommt unsere Zeit nicht nur den Patienten zugute: Bürokratische Aufgaben wie beispielsweise Kodierung, Kassenanfragen oder Dokumentationen nehmen immer mehr zu. Dann ist da noch die latente Bedrohung durch Regressgefahr (Anordnung einer Strafzahlung, wenn das vorgegebene Arznei-, Hilfs- oder
Heilmittelbudget signifikant überschritten wurde). Nicht zuletzt sind die Patienten auch anspruchsvoller geworden, bei der Terminvergabe zum Beispiel.“

L: „Kommt diese Entwicklung überraschend?“

EG: „Nein, im Gegenteil. Und man will schon seit Jahren die hausärztliche Tätigkeit fördern, doch leider sind die bisherigen Maßnahmen nicht wirksam genug.“

L: „Wie sähe Ihrer Meinung nach eine nachhaltige Förderung aus?“

EG: „Die Politik muss angehenden Hausärzten eine Planungssicherheit von mindestens zehn Jahren geben und darf nicht ständig ins Gesundheitssystem eingreifen und Regeln verändern. Eine Reduzierung der Bürokratie wäre gut, zum Beispiel durch eine Vereinfachung der Gebührenordnung. Grundsätzlich sollten Ärzte nicht nur als Kostenfaktor betrachtet werden, sondern als Förderer und Bewahrer der (Volks)Gesundheit Wertschätzung erfahren.“

L: „Besonders hart trifft der Hausärztemangel das Land. Welche speziellen Verbesserungsvorschläge
haben Sie hier?“

EG: „Für junge Mediziner sind Großstädte und Mittelzentren in punkto Infrastruktur und Lebensqualität einfach attraktiver – ergo müssen Gemeinden aufrüsten, wenn sie Hausärzte an sich binden möchten. Das reicht von der guten Nahverkehrsanbindung über Kindergärten und Schulen vor Ort bis hin zum schnellen Internet. Diese Standortfaktoren sind es, die Arbeits- und Lebensqualität auf dem Land – nicht nur für Ärzte – gewährleisten.“

Das Interview mit Dr. Edgar Gramlich aus Albertshofen führte Lebenslinie-Redakteurin Jenifer Gabel

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