Medizin hinter Gittern

Dr. Johann Pudlik über seine Arbeit in der Justizvollzugsanstalt

0

Diabetes, Bluthochdruck, Krebs sowie psychische Labilität bis hin zu Depressionen: Was immer an Krankheiten „draußen“ vorkommt, gibt es auch „drinnen“ – in der Justizvollzugsanstalt (JVA). „Wobei einige Erkrankungen bei uns im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überproportional häufig vorkommen“, sagt der Würzburger Anstaltsarzt Johann Pudlik. Viele Gefangene sind drogensüchtig. Viele leiden an Hepatitis C. „Außerdem haben wir recht viele Inhaftierte mit HIV.“ Dass ein Gefangener wegen Hepatitis zu Dr. Pudlik kam, war erst kürzlich wieder der Fall. „Warum haben Sie nicht längst eine Therapie begonnen?“, fragte der Mediziner. Er habe dafür nicht den Kopf gehabt, antwortete der Mann. Alles hatte sich „draußen“ um Drogen gedreht. Erst hinter Gittern kam der Gefangene dazu, sich um seine Gesundheit zu kümmern. Dr. Johann Pudlik überwies den Patienten an die Infektionsambulanz der Würzburger Uniklinik: „Von dort bekommen wir immer Empfehlungen, inwieweit eine Therapie notwendig ist.“ Ist sie notwendig, wird behandelt. Dass die Medikamente sehr teuer sind, das spielt keine Rolle. Gerade Anstaltsärzt:innen belastet die Pandemie sehr. Bis Ende Juni 2021 erkrankten laut Pudlik fünf Kolleg:innen an Covid-19. Gefangene hatten sich bis dahin nicht infiziert. „Wir haben uns aber auch gut vorbereitet“, so der Medizinaldirektor. Eine Thermokamera im Eingangsbereich des Gefängnisses misst seit Ausbruch der Pandemie bei allen Besucher:innen, die die JVA betreten, automatisch die Temperatur. Neu aufgenommene Gefangene werden getestet und müssen 14 Tage auf die Quarantänestation: „Nach zwei Wochen testen wir erneut.“ Erst wenn der zweite Test negativ ist, wird der Gefangene auf die Normalstation verlegt.

Für viele Inhaftierte war es „draußen“ normal, einen Joint zu nehmen oder sich Rauschgift zu spritzen. Drogensucht ist nicht selten der Grund, warum Menschen hinter Gittern landen. Oft muss im Gefängnis körperlich entzogen werden, berichtet Dr. Pudlik: „Das geschieht auf unserer Krankenabteilung.“ Der Drogenkonsum, konstatiert der Arzt, hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Viele Gefangene konsumierten über lange Zeit einen wilden Mix an Substanzen: „Zum Beispiel Haschisch, Crystal und Medikamente.“ Seit 30 Jahren beobachtet Johann Pudlik, wie sich junge Menschen durch Rauchgift kaputtmachen: „Das ist wirklich eine Katastrophe.“

Viele Süchtige leiden seelisch, doch darüber zu reden, war für sie ein absolutes No-Go. „Einige tun das dann hier mit uns“, sagt Pudlik. Er selbst versteht sich nicht nur als „Doc“, der Arzneien verschreibt: „Wir Anstaltsärzte versuchen gleichzeitig auch, psychologisch zu unterstützen.“ Wer professionelle Hilfe braucht, wird an das Psycholog:innen-Team der JVA überwiesen. Die Gespräche mit den Psycholog:innen seien laut Dr. Pudlik für viele Gefangenen sehr wichtig. Die meisten hätten im Übrigen auch die feste Absicht, nach Verbüßen der Haftstrafe solide zu leben: „Leider klappt das nicht immer.“ Hürden nach der Entlassung führen zum berühmten Drehtüreffekt.

Share.