Wer träumt nicht vom Superheldenanzug, der physische Zusatzkräfte verleiht? Und tatsächlich bekommen Spiderman und Ironman Konkurrenz: Anzüge, die menschliche Kräfte und die Belastungsfähigkeit steigern, sind längst keine Fiktion mehr. Exoskelette (roboterhafte Stützsysteme) lassen manchen querschnittsgelähmten Menschen heute
wieder aufstehen und gehen.
Und auch in der Industrie werden die unterstützenden Hightech-Gestelle bereits eingesetzt. In den Fertigungs- und Montagestraßen von Audi etwa kommt – wörtlich übersetzt – ein „stuhlloser Stuhl“ zum Einsatz und entlastet die Muskulatur, während in Hockstellung gearbeitet wird. Wer einmal am eigenen Körper spüren möchte, wie ein Exoskelett funktioniert, kann einen Termin in der Ausstellung „Second Hand“ vereinbaren. Denn die Würzburger Prothesensammlung in Unterfrankens „Zentrum Bayern Familie und Soziales“ (ZBFS) wurde unlängst um einen Ausstellungsbereich mit Möglichkeiten zur Selbsterfahrung erweitert.
Doch was heißt es, mit Einschränkungen zu leben? Körperliche Behinderungen können schlagartig jeden treffen – spätestens im Alter. Eine Wandprojektion im Eingangsbereich nimmt darauf Bezug und lässt einen Menschen im Zeitraffer vom Kleinkind zum Greis reifen. Ob man’s nun wissen möchte oder nicht: Via „Face-App“ kann man an einen Touchscreen auch sich selbst als alte Dame oder alten Herren betrachten. Sehen ist das eine – fühlen ein ganz anderes: Im nächsten Raum können Besucher in den Alters-Simulationsanzug „Age Man“ steigen und eine Vielzahl von Alterungsprozessen spüren. Plötzlich kostet jede Bewegung Anstrengung, vom Sitzkissen aufzustehen wird fast zum Ding der Unmöglichkeit. Durchs Visier sieht die Umwelt verfälscht und verschwommen aus, Gehördämpfer isolieren von Gesprächen. Münzen im Geldbeutel abzuzählen mit Handschuhen, die das fehlende Gefühl in den Fingerspitzen imitieren, wird zur echten Herausforderung.
„Point auf View“ ist die nächste Station überschrieben. Möglich macht die 360-Grad-Seherfahrung eine VR-Brille. In der virtuellen Realität erlebt der Ausstellungsgast bei einem Residenzbesuch das Barockgebäude und Tiepolos Deckengemälde unter dem Eindruck der sechs häufigsten Seheinschränkungen. Zudem kann man sich mit einem Rollstuhlfahrer auf den Schulweg machen und erfahren, wie viele Barrieren er meistern muss bis ins Klassenzimmer. Ein weiteres spannendes Element: herkömmliche Brillen, die verschiedene Seheinschränkungen simulieren. Am Ende schließlich folgt der Blick in die Zukunft, ein kompletter Raum widmet sich dem Thema Exoskelette. Allerdings ist rasch klar: Was so futuristisch wirkt, ist mancherorts längst Alltag.
Ein Filmausschnitt aus „Hirschhausens Quiz des Menschen“ zeigt, wie Eckart von Hirschhausen auf den querschnittsgelähmten André van Rüschen trifft. Fast zehn Jahre saß dieser im Rollstuhl, ehe er mit Unterstützung eines Exoskeletts und viel Training wieder stehen und gehen konnte. Doch auch der Blick zurück lohnt … die Vergangenheit wird im „alten“ Teil der „Second Hand“-Sammlung, aufbereitet im Stile einer „Boutique“, lebendig. Statt abgelegter Kleidungsstücke können Armprothesen und Rollstühle, Hörgeräte oder Kunstaugen aus verschiedenen Jahrzehnten begutachtet werden.
Durch die Ausstellung sind nur begleitete Touren möglich, generelle Öffnungszeiten gibt es nicht. Der Hintergrund ist nicht nur ein finanzieller: ZBFS-Regionalleiterin Waltraud Asbahr verweist auf bestehende Ausstellungselemente wie Interviews mit Schwerstkriegsverletzten, die gerade jugendliches Publikum nicht ohne Begleitung hören sollten.
Vereinbarung eines Termins für Gruppen oder Einzelpersonen unter Telefon 0931.4107-107.