In Deutschland gibt es viele Standards. Von Kindergarten bis Seniorenheim sind räumliche Mindestanforderungen klar geregelt. Wie Frauen und Kinder untergebracht sein sollten, die aus einer Gewaltbeziehung ins Frauenhaus flüchten, ist nicht festgelegt. „Leider scheint hier für manche das Prinzip zu gelten: Hauptsache sie haben ein Dach über dem Kopf“, bedauert Frauenhausleiterin Brita Richl.
Auch die Finanzierung ist eher mangelhaft. Außer über Personalkostenzuschüsse unterstützt der Freistaat die Träger nicht. Die Stadt Würzburg und andere Kostenträger (die Landkreise Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart) steuern zumindest einen kleinen Teil zu Sach- und Investitionskosten bei. Rund 8000 Euro pro Platz und Jahr an kommunalen Zuschüssen erhält die AWO Unterfranken für die sechs offiziell anerkannten Plätze.
Durchschnittlich leben in den Räumen, zwölf- bis 15 Quadratmeter groß, sechs Frauen mit bis zu zehn Kindern. Die Mahlzeiten in der einzigen Küche müssen daher oftmals in Etappen stattfinden und im Gemeinschaftsbad herrscht mitunter Hochbetrieb – Konfliktpotential inklusive. Denn dank des engen Wohnungsmarktes können betroffene Familien oft über Monate nicht ausziehen.
„Es ist unbestritten, dass sich in unseren beengten und längst nicht mehr zeitgemäßen Frauenhausräumen etwas ändern muss“, erläutert Richl bei einer Pressekonferenz mit Vertretern des Lions Clubs de Leone Würzburg. Seit 1996, fährt sie fort, werden die Zimmer unverändert genutzt. Neben Sanitäranlagen oder zumindest Duschen für jede Familie fehlen getrennte Aufenthaltsräume für spielende und lernende Kinder, Rückzugsräume für die traumatisierten Bewohnerinnen und Beratungsräume für ungestörte Gespräche. Auch die fehlende Barrierefreiheit ist ein großes Problem.
Weil klar ist, dass es so nicht weitergeht, hat man in der AWO Unterfranken mit konkreten Planungen begonnen. Zwei Szenarien hat AWO Architektin Manuela Jatz durchgespielt: Sanierung und Anpassung der Räume an heute allgemeingültige Mindeststandards für die bestehenden Plätze sowie das Gleiche mit zusätzlicher Aufstockung auf zehn Plätze.
Aber: Wie bezahlen? Die Frauenhausfinanzierung in Bayern berücksichtigt Investitionen in Gebäude nicht. Zudem hat das Frauenhaus keine Einnahmen, macht keinen Gewinn. „Zu uns kommen Frauen und Kinder aus Gewaltbeziehungen, die keinerlei Ressourcen haben: weder monetär, noch familiär, noch sozial“, fasst Richl die Herausforderung zusammen. „Die räumlichen Gegebenheiten belasten und schränken uns sehr ein. Sie stellen aber insbesondere an die Zuflucht suchenden Frauen und Kinder große Anforderungen in einer extrem krisenhaften Zeit.“
All das thematisierte eine 2016 vom bayerischen Sozialministerium veröffentlichte Studie. Die akute Not drückte sich klar und deutlich in Zahlen aus. Der Aufschrei in Medien und Politik war groß. Die damalige Sozialministerin Emilia Müller entwickelte daraufhin ein neues Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, das auch für die Frauenhäuser nachhaltige Verbesserungen versprach. Mit dem Wechsel an der Spitze des Freistaates und im Ministerium wurde dieses hinfällig.
„Der neue Dreistufenplan bleibt weit hinter unseren Erwartungen zurück“, zeigt sich Richl sehr enttäuscht.
„Wir haben wirklich große Not, aber uns fehlen Finanzierungszusagen, um die baulichen Veränderungen konkret zu planen und in Angriff zu nehmen“, sagt AWO Bezirksgeschäftsführer Martin Ulses. „Wir freuen uns deshalb von ganzem Herzen über das Vorhaben des Lions Club de Leone. Es gibt uns wieder Hoffnung, dass es uns doch gelingen kann, mit breiter gesellschaftlicher und politischer Unterstützung ein Frauenhaus zu schaffen, das mehr als nur ein Dach über dem Kopf bietet.“
Und zudem eine äußerst erfolgversprechende Arbeit unterstützt. Denn in der Frauenhausbetreuung zeigt sich stets schnell, wie gut Frauen und Kindern der Schritt weg von der Gewalt tut – und das nachhaltig. Nur wenige Frauen gehen zum gewalttätigen Partner zurück. Den aller meisten gelingt ein Neuanfang, so Richl.
Mit dem Lions Club de Leone Würzburg hat das AWO Frauenhaus jetzt einen starken Partner an seiner Seite. Der Erlös einer Benefiz-Gala am Freitag, 26. Oktober, ab 18 Uhr im Gut Wöllried soll nur eine erste Anschubfinanzierung für die Frauenhaus-Sanierung sein. „Wir bleiben in den folgenden Jahren in dieser Hinsicht am Ball“, verspricht Präsident Alexander Hillenbrand. Dafür, dass bei der Gala zum Anfang der Rubel zugunsten des Frauenhauses rollt, soll Sternekoch Alfons Schuhbeck mit einem fünfgängigen Menü sorgen, begleitet von edlen Tropfen aus dem Weingut Horst Sauer.
Karten gibt es in der Geschäftsstelle der Main-Post in der Plattnerstraße in Würzburg. Es stehen nur begrenzt Plätze zur Verfügung.