Gesundheit belohnen, nicht Krankheit!

Professor Alexander Schraml über Fehlplanungen, Überregulierungen und falsche Anreize im Krankenhaussystem

0

Die Kliniken sollen bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten nicht an ihre Belastungsgrenze kommen … das war, allen voran, stets das Regulativ für Entscheidungen der Politik über Corona-Beschränkungen oder -Lockerungen. Auf der anderen Seite lassen die gleichen Politikerinnen und Politiker zu, dass das Kliniksterben in Deutschland munter voranschreitet, auch parallel zur Covid-19-Pandemie. Das Sterben der Kliniken in Deutschland habe nicht nur keine Pause eingelegt im Corona-Jahr 2020, der Niedergang habe sich sogar beschleunigt. „Während von 2015 bis 2018 im Jahresmittel zehn Häuser dichtgemacht hatten, waren es diesmal doppelt so viel, nämlich 20“, mahnt der unabhängige Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) mit Sitz in Berlin. Und auch derBundesrechnungshof (BRH) bläst in das gleiche Horn: Laut einer Veröffentlichung des BRH vom September letzten Jahres würden zehn Prozent der Kliniken akut von Insolvenzen bedroht, was 190 Häusern entspricht. Weitere 40 Prozent schrieben rote Zahlen. Auch wenn man Corona wegdenke, so Professor Alexander Schraml (56), Geschäftsführer der Main-Klinik Ochsenfurt, „Klinikschließungen nach dem Rasenmäher-Prinzip wie sie gerade stattfinden, ohne wirkliche Bedarfsplanung, sind nicht sinnvoll.“ Die Realität, sprich die Demografie in Deutschland, werde uns hier bald eines Besseren belehren, so Schraml, der zehn Jahre Vorstand der KlinikKompetenz-Bayern eG war, einem Netzwerk, das 62 kommunale und freigemeinnützige Kliniken umfasst mit rund 34.000 Gesundheitsarbeitern.

Falsche Anreize
Bisher habe die Ökonomie, will heißen „Rentabilität“ eines Krankenhauses entschieden, ob es geschlossen werde, nicht die Infrastruktur oder Demografie der Region, wo es beheimatet war, betont der Chef der Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg. Auch die Main-Klinik Ochsenfurt war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Nun wird das 140-Betten-Haus aufwändig saniert und wurde somit faktisch von der Bayerischen Staatsregierung und dem Kreistag als unverzichtbar und systemrelevant anerkannt. „Wir haben im Corona-Konzert der Kliniken in der Region relevant mitgespielt, indem wir vor den Toren Würzburgs Patientenströme abgefangen haben“, erzählt der Geschäftsführer der Main-Klinik stolz. Er lobt an dieser Stelle ausdrücklich den Rückhalt durch den Landkreis, der in der Corona-Zeit ausschließlich gemeinwohlbezogen agiert habe, auch wenn das bisweilen Hunderttausende an Euros mehr als im Etat geplant gekostet habe. Auch wenn er zugibt, auch kein adäquates Finanzierungssystem für die kommunalen und gemeinnützigen Krankenhäuser ad hoc aus der Tasche ziehen zu können, wisse er dennoch sicher, dass es andere Anreize braucht, um das derzeitige Krankenhaussystem vom Tropf nehmen zu können. „Als Krankenhauschef freut man sich aktuell, wenn das Haus voll ist, das ist absurd!“ Gesundheit müsse belohnt werden, Fürsorge und Menschlichkeit, nicht Krankheit, Gewinnmaximierung und Dokumentation.

Die Kliniken sollen bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten nicht an ihre Belastungsgrenze kommen … das war, allen voran, stets das Regulativ für Entscheidungen der Politik über Corona-Beschränkungen oder -Lockerungen. Auf der anderen Seite lassen die gleichen Politikerinnen und Politiker zu, dass das Kliniksterben in Deutschland munter voranschreitet, auch parallel zur Covid-19-Pandemie. Das Sterben der Kliniken in Deutschland habe nicht nur keine Pause eingelegt im Corona-Jahr 2020, der Niedergang habe sich sogar beschleunigt. „Während von 2015 bis 2018 im Jahresmittel zehn Häuser dichtgemacht hatten, waren es diesmal doppelt so viel, nämlich 20“, mahnt der unabhängige Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) mit Sitz in Berlin. Und auch der

Foto: Prof. Schraml ©Michael Ehlers

Bundesrechnungshof (BRH) bläst in das gleiche Horn: Laut einer Veröffentlichung des BRH vom September letzten Jahres würden zehn Prozent der Kliniken akut von Insolvenzen bedroht, was 190 Häusern entspricht. Weitere 40 Prozent schrieben rote Zahlen. Auch wenn man Corona wegdenke, so Professor Alexander Schraml (56), Geschäftsführer der Main-Klinik Ochsenfurt, „Klinikschließungen nach dem Rasenmäher-Prinzip wie sie gerade stattfinden, ohne wirkliche Bedarfsplanung, sind nicht sinnvoll.“ Die Realität, sprich die Demografie in Deutschland, werde uns hier bald eines Besseren belehren, so Schraml, der zehn Jahre Vorstand der KlinikKompetenz-Bayern eG war, einem Netzwerk, das 62 kommunale und freigemeinnützige Kliniken umfasst mit rund 34.000 Gesundheitsarbeitern.

Überbordende Bürokratie
„Wer ein Übel erkennt, hat es schon fast geheilt“, sagte der US-amerikanische Journalist Prentice Mulford (1834-1891). Das hofft Professor Schraml für die vielerorts bereits an der Beatmung hängenden kommunalen und gemeinnützigen Kliniken sehr. „Corona hat den Finger in die Wunde gelegt, dahin, wo es wehtut. Jetzt geht es darum, ̦Wundmanagement‘ zu betreiben, damit in der stationären Versorgung nicht-privater Träger der Zeiger wieder in Richtung Fürsorge ausschlägt, so der gebürtige Oberpfälzer. Es könne nicht angehen, dass man finanziell „bestraft“ werde, wenn man ältere Patienten nach einer OP länger als in den DRGs (Fallpauschalensystem im Krankenhaus, das nach Diagnose und Liegezeiten abrechnet) vorgesehen im Krankenhaus behält, weil es aus sozialen und menschlichen Aspekten heraus angeraten wäre. „Es gibt Heerscharen von Kontrollinstanzen, die die Einhaltung der DRGs überprüfen, zulasten von Menschlichkeit und Fürsorge“, weiß der Jurist Alexander Schraml zu berichten.

Gemeinwohl statt Rendite
Sein Plädoyer geht eindeutig weg von Gewinnmaximierung hin zu Gemeinwohlorientierung, die er auch während der Corona-Epidemie in den Senioreneinrichtungen des Landkreises, die Schraml ebenfalls verantwortet, gelebt hat: „Wir haben sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welle, zu jeder Zeit, Pflegebedürftige aufgenommen – auch nach einem Krankenhausaufenthalt. Unsere Hausleitungen haben sich alle Beine ausgerissen, obwohl es für sie bequemer und auch stressfreier gewesen wäre, Gelder aus dem Rettungsschirm zu beanspruchen und nicht das Risiko einzugehen, als Corona-Hotspot in den Schlagzeilen zu landen! Zum Glück hatten wir, von einzelnen Fällen abgesehen, kein größeres Covid-19-Ausbruchsgeschehen in unseren Pflegeheimen“, freut sich Professor Schraml. Für die Zukunft wünscht sich der engagierte Kämpfer für Verbesserungen im Gesundheitswesen eine an die Region, Infrastruktur und Demografie angepasste flächendeckende Bedarfsplanung der Krankenhauslandschaft in Deutschland mit einem Rettungsschirm in Form eines Vorhalte-Managements („Die Feuerwehr leisten wir uns ja auch, wenn es nicht brennt“). Das hieße aber auch, ein Krankenhaus in der Rhön oder im Bayerischen Wald aufrechtzuerhalten, auch wenn es sich nicht rechnet, weil weit und breit sonst keine Klink zur stationären Versorgung zur Verfügung stünde. Konkurrenz dürfe es unter den Kliniken auch in Zukunft geben, aber nur in punkto Qualität, wenn es darum geht, sich überdurchschnittlich gute Ärztinnen und Ärzte zu leisten, um Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen.

Das Interview mit dem Geschäftsführer der Main-Klinik Ochsenfurt und dem Vorstand der Kommunalunternehmen des Landkreises führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

www.kommunalunternehmen.de, www.main-klinik.de

Share.