Friedlich sterben dürfen

Im Hospiz des Juliusspitals kommen Menschen im Sterbeprozess zur Ruhe

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Im Raum der Stille steht dieser Stumpf eines gestorbenen Kirschbaumes von den Ritaschwestern mit hölzernen Handschmeichlern, die jeder Gast, der das möchte, erhält. Foto: Pat Christ

Im Raum der Stille steht dieser Stumpf eines
gestorbenen Kirschbaumes von den Ritaschwestern
mit hölzernen Handschmeichlern, die jeder Gast, der
das möchte, erhält. Foto: Pat Christ

Der ältere Herr war ein leidenschaftlicher Musiker. Tenorhorn hatte er gespielt. In der örtlichen
Musikkapelle.

„Sollen wir ein paar der Musiker einladen, hierherzukommen?“, fragte ihn Sibylla Baumann vom stationären Hospiz der Stiftung Juliusspital.

Es kam dann nicht mehr dazu. Der Mann verstarb. Friedlich.

Wie die allermeisten Gäste der im Sommer 2013 eröffneten Einrichtung in der Würzburger Sanderau.

„Einen Todeskampf musste bei uns noch niemand ausstehen“, betont Baumann. Zehn Betten stehen Schwerstkranken im Sterbeprozess zur Verfügung.

Die Patienten kommen vorwiegend aus der Region Würzburg, aber auch darüber hinaus. Es gab schon Gäste aus Meiningen, Heidelberg, Bad Tölz und Hamburg.

Die meisten sind betagt. Allerdings beschlossen auch schon Menschen diesseits des 30. Lebensjahres ihr junges Leben im Würzburger Hospiz.

Zwei bis vier Wochen haben die meisten noch zu leben. Die Nachfrage nach den Plätzen ist laut Baumann höher als das Angebot: „Wir haben immer eine Warteliste.“

Viel Unangenehmes haben die Hospizgäste hinter sich.

Sie mussten Operationen, Chemotherapie und Bestrahlungen auf sich nehmen. Damit wiederum waren in vielen Fällen Schmerzen, schlaflose Nächte und Übelkeit verbunden.

„Wir sind durch die Hölle gegangen“, beschreibt mancher Angehörige das, was er mit seinem Partner, seinem Vater oder seiner Mutter erlebt hat.

Die Krankheit zu besiegen, war dennoch nicht gelungen. Nach einer langen Zeit zwischen Hoffen und Bangen, nach einem Diagnose- und Therapiemarathon kommen die Gäste und ihre Verwandten im Hospiz endlich zur Ruhe.

Kosten für den Aufenthalt entstehen ihnen laut Baumann nicht.

Zwar übernimmt die Kasse bisher nur 90 und künftig 95 Prozent der Kosten. Doch die Eigenbeteiligung bleibt nicht an den Familien hängen.

„Die finanziert das Juliusspital als Träger“, erklärt die gelernte Palliativkrankenschwester. Rund eine Million Euro kostet das Hospiz im Jahr. Damit läge der Eigenanteil bei 100.000 Euro.

Das Juliusspital schießt allerdings mehr als das Doppelte zu.

„Wir bieten zusätzlich unter anderem Kunst- und Musiktherapie an, was wir über Spenden finanzieren“, erläutert Sibylla Baumann. Auf jeden Gast kommen 1,3 Pflegekräfte.

Das Pflegepersonal kümmert sich darum, dass alle Symptome der Sterbenden gut behandelt werden.

Baumann: „Häufig sind das Atembeschwerden, Schmerzen oder auch Verdauungsprobleme.“ Im Mittelpunkt des Aufenthalts im Hospiz steht allerdings nicht das Medizinische und nicht das originär Pflegerische.

Das A und O ist das seelische Befinden des Menschen, dessen Leben zu Ende geht.

In seinen letzten Lebenstagen soll sich der Sterbende rundum wohlfühlen. Das Team versucht, auch außergewöhnliche Wünsche zu erfüllen.

Hauptsache, der Mensch leidet nicht seelisch – also nicht unter Ängsten, nicht unter noch offenen Konflikten.

Was den Gästen gut tun könnte, das erfährt Sibylla Baumann im ausführlichen Aufnahmegespräch. Der ältere Blasmusikfan erfreute sich an CDs mit seiner Lieblingsmusik.

Ein anderer Gast genoss das mit Aromen versehene Pflegebad. Ein weiterer schwelgte im Sonnenschein auf
der Terrasse. Baumann: „Kürzlich wurde bei uns sogar Hochzeit gefeiert.“

Weil eine Tochter auswärts heiratete und die Mutter nicht kommen konnte, gab es eine Extrafeier zwischen Standesamt und Hauptfeier im Hospiz. Die Stimmung war sehr fröhlich. Und, seitens der Mutter, auch ein bisschen melancholisch.

Für Baumann verständlich: „Wer lässt sein Kind schon gern gehen?“ Sibylla Baumann ist für jeden Gast froh, der ins Hospiz aufgenommen werden kann und dadurch in seinen letzten Lebenstagen noch einmal, so irritierend das für Außenstehende auch klingen mag, Lebensqualität erfährt.

Doch nicht jedem Sterbenden ist dies vergönnt.

Menschen, die in Heimen leben, haben nicht das Recht, am Ende ihres Lebens in ein Hospiz zu wechseln.

In Heimen wiederum ist eine so intensive Begleitung, wie sie im Hospiz des Juliusspitals geschieht, und damit eine derart würdevolle, auf das Wesentliche der Persönlichkeit des aus dem Leben scheidenden Menschen fokussierte Sterbebegleitung aus Kostengründen unmöglich.

Eine bessere Hospizversorgung ist denn auch Kernpunkt vieler politischer Forderungen. Denn die Angst vor Einsamkeit, Abhängigkeit und Fremdbestimmung am Ende des Lebens ist bei den Menschen groß.

Was auch der Grund dafür ist, dass immer wieder Rufe laut werden, den assistierten Suizid zu erlauben.

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