Es ist Zeit, TB zu beenden!

DAHW-Geschäftsführer Burkard Kömm über die Frage nach dem „Wie“

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Tuberkuloseklinik in Nepalgunj des INF (International Nepal Fellowship)
Viele der TB-Patienten haben sich mit multitresistenten Erregern infiziert. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr tragen die Patienten alle Mundschutzmasken.
Den 36-jährigen Madan koste die Tuberkulose seinen Arbeit. Den Anstrengungen als Lastenschlepper für Touristen bei Treckingtouren war er nicht mehr gewachsen. Tuberkuloseklinik in Nepalgunj des INF (International Nepal Fellowship)
Viele der TB-Patienten haben sich mit multitresistenten Erregern infiziert. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr tragen die Patienten alle Mundschutzmasken.
Den 36-jährigen Madan koste die Tuberkulose seinen Arbeit. Den Anstrengungen als Lastenschlepper für Touristen bei Treckingtouren war er nicht mehr gewachsen. Foto: Rolf Bauerdick / DAHW

(Würzburg, 20.03.2019) – Tuberkulose (TB) ist und bleibt eines der drängendsten Gesundheitsprobleme weltweit. Auch 2017 war die Infektionskrankheit wieder eine der zehn häufigsten Todesursachen: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben ca. 1,6 Millionen Menschen an TB, rund zehn Millionen infizierten sich neu, darunter eine Million Kinder. Die internationale Staatengemeinschaft hat die globale Krise erkannt: 2015 setzten sich die Vereinten Nationen zum Ziel, sie bis 2030 zu beenden. Die WHO will es mit ihrer „End TB“-Strategie bis 2035 schaffen. Dabei ist man sich einig: Der Kampf gegen TB ist auch ein Kampf gegen Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit und einer für Gerechtigkeit, Gesundheit und Bildung. Doch trotz gemeinsamer Anstrengungen – und obwohl Tuberkulose heilbar ist! – ist ein Ende der weltweiten TB-Epidemie nicht in Sicht. Daher fordert die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. anlässlich des Welt-Tuberkulose-Tags am 24. März 2019, das politische und finanzielle Engagement umgehend deutlich auszuweiten.

„Wenn Tuberkulose früh erkannt und behandelt wird, ist das der beste Schutz vor einer Ausbreitung“, konstatiert Burkard Kömm, Geschäftsführer der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V., der im September 2018 für das Würzburger Hilfswerk am ersten UN-Sondergipfel zu TB teilnahm. Staats- und Regierungschefs kamen in New York zusammen, um über die notwendigen Schritte zur Bewältigung dieser globalen Gesundheitskrise zu beraten. „Ein uneingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung ist entscheidend“, führt Kömm weiter aus. Doch in entlegenen Dörfern, in Slums, Flüchtlingscamps oder auch Gefängnissen fehle es an grundlegenden Gesundheitsdienstleistungen. „Ein wesentlicher Schwerpunkt unserer TB-Arbeit liegt daher darin, die Länder dabei zu unterstützen, Lücken in den nationalen Gesundheitssystemen zu schließen.“

Endlich wirksame, verträgliche und bezahlbare Medikamente

Die Forderung nach einer Verbesserung der Gesundheitssysteme ist nicht neu. Auch die nach wirksamen, verträglichen und bezahlbaren Medikamenten nicht. Doch angesichts der zunehmenden Resistenzen gegen die standardisierte Antibiotika-Therapie, in deren Folge sich die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) immer weiter ausbreitet, ist sie dringlicher denn je. „Hohe Kosten, mangelnde Verfügbarkeit und schwerste Nebenwirkungen wie Depressionen oder Hörverlust sind ein großes Problem“, weiß Kömm.

„Die Behandlungserfolge bei MDR-TB-Patient*innen liegen lediglich bei 52 Prozent.“ Es gäbe zwar inzwischen besser verträgliche und effektivere Medikamente – aber Schätzungen zufolge haben nur fünf Prozent der MDR-TB-Patient*innen zu ihnen Zugang. Es sei Aufgabe der Regierungen der reichen Länder sowie der arzneimittelproduzierenden- und entwickelnden Unternehmen, die Forschung zu intensivieren und zugleich dafür zu sorgen, dass die neuen Medikamente auch in armen Ländern bezahlbar sind. „Das Überleben eines Betroffenen darf nicht von seinem Wohnort und Geldbeutel abhängen.“

Tuberkulose und Armut – soziale Determinanten miteinbeziehen

Ein Drittel der Weltbevölkerung trägt den Tuberkulose-Erreger, das Mycobacterium tuberculosis, in sich. Das Risiko, dass eine latente TB-Infektion zu einer aktiven TB-Erkrankung ausbricht, steigt, wenn das Immunsystem geschwächt ist. „Unterernährung ist einer der größten Risikofaktoren, aber auch die Wohnsituation ist relevant“, so DAHW-Geschäftsführer Burkard Kömm. Leben Menschen auf sehr engem Raum mit schlechten Hygienebedingungen zusammen, begünstige das die Übertragung. Bildung sei ein weiterer Faktor: „Bessere Kenntnisse über das Thema Gesundheit schützen und befähigen zur Selbsthilfe.“ Würden TB-Betroffene ihre Symptome richtig deuten können, würden sie vermutlich auch früher Gesundheitszentren aufsuchen. Daneben brauche es stabile Einkommen, damit Menschen sich eine gesunde Ernährung, eine angemessene Wohnsituation, Bildung und Gesundheitsvorsorge auch leisten können. Kömm: „Tuberkulose ist eng mit diesen strukturellen und sozialen Determinanten verbunden. Um sie zu beenden, müssen wir multidisziplinäre, intersektorale Wege gehen.“

Menschen auf der Flucht: besonders gefährdet, nicht besonders gefährlich

Krieg, Verfolgung, Vertreibung, Hunger und Armut zwangen 2017 laut UNHCR rund 70 Millionen Menschen weltweit zur Flucht – so viele, wie noch nie. Etwa 40 Millionen flohen innerhalb ihres Heimatlandes, 85 Prozent lebt in Entwicklungsländern. Internationalen Schutz suchten 3,1 Millionen Menschen, in Deutschland beantragten etwa 187.000 Asyl. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden in diesem Jahr 5.500 Tuberkulose-Fälle registriert. Rund drei Viertel davon waren Migrant*innen, die überwiegend aus Tuberkulose-endemischen Gebieten wie Somalia, Eritrea, Afghanistan, Syrien und Rumänien kamen. „Dennoch stellen Geflüchtete keine Gefahr für die Gesundheit der deutschen Bevölkerung dar“, macht Burkard Kömm deutlich. „Aber die Lebensrealität der Asylsuchenden erhöht sehr wohl das Risiko einer TB-Erkrankung.“

Die Unsicherheit über die Bleibeperspektive, die Angst vor Abschiebung und das Gefühl der Ohnmacht wie auch die Unterbringung in oft überfüllten Erstaufnahmelagern sorgen für extremen Stress. „Nicht Abschottung und Abweisung reduzieren die Gefahr einer TB-Ausbreitung“, ist sich Kömm sicher, „sondern der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und angemessene Lebensbedingungen – egal wo auf der Welt.“

Weiterführende Informationen, Bilder und ein TB-Online-Quiz auf www.dahw.de/welt-tuberkulose-tag.

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