„Organspende bedeutet für die Angehörigen des Spenders: Es bleibt mehr zurück“, sagt Heiner Röschert. Siebeneinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass seine Kinder Pia und Felix am Heiligabend bei einem unverschuldeten Autounfall tödlich verunglückten. Und, dass mit fünf von sieben Organen des Sohnes vier Leben gerettet werden konnten. Weil er im Laufe der Zeit merkte, wie wichtig es sein kann, sich mit anderen Menschen mit ähnlichem Schicksal auszutauschen, begann Heiner Röschert vor gut drei Jahren, über die Stadt Würzburg ein Netzwerk für Angehörige nach Organspende aufzubauen.
Für sich selbst, für andere Angehörige, für seine Kinder sagt er. Röscherts Sohn Felix hatte am Würzburger Universitätsklinikum als Gesundheits- und Krankenpfleger gearbeitet und sich intensiv mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt. „Er war ein riesiger Befürworter und sagte: Wenn ich tot bin, habe ich nichts mehr von meinen Organen.“
Als die Ärzte nach dem Unfall den Hirntod des 25-Jährigen feststellten, stand für den alleinerziehenden Vater außer Frage, dem Willen seines Sohnes zu folgen. Er werde doch sein Kind nicht ausschlachten lassen, schlug ihm Kritik aus der Verwandtschaft entgegen. Der Vater sagt voller Überzeugung: „Organspende ist ein Ausweis der Menschlichkeit.“ Er begrüßt, dass nun auch in Deutschland intensiv über eine Widerspruchslösung diskutiert wird.
„Pro Jahr erleiden rund 8.000 Deutsche den Hirntod. Würden von der Hälfte je zwei Organe gespendet, bestünde bei uns kaum mehr Bedarf an Spenderorganen“, rechnet Röschert vor. Im Jahr 2018 spendeten laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 955 Menschen 3.113 Organe. Wie Heiner Röschert heute weiß, werden Angehörige nach einer Organspende nicht selten mit ähnlichen Anschuldigungen konfrontiert, wie er selbst vor siebeneinhalb Jahren. Für umso wichtiger hält er den Austausch unter Menschen, die ein ähnliches Schicksal verbindet.
„Es geht darum zu wissen: Da ist jemand, der zuhört oder auch ganz praktische Tipps gibt“, sagt Röschert. Da könne es um Rentenfragen gehen, um Unterstützung durchs Amt für Familienförderung, um Hilfe durch die Stiftung Verkehrsopferhilfe oder auch um Rat bei finanziellen Problemen. Netzwerkmitglieder stünden sich bei, wenn Angehörige nach einem verursachten Unfall einen Rechtsstreit durchstehen müssen, begleiteten bei schwierigen Behördengängen oder auch, wenn Angehörige noch einmal mit den Klinikärzten sprechen wollen, um offene Fragen zur Organspende zu klären. Man tausche sich im geschützten Raum über Chats oder WhatsApp-Gruppen aus, jeder entscheide für sich, wie viel er preisgeben wolle. Meist fänden sich rasch Menschen mit ähnlichem Schicksal.
„Wir sind eine kleine Gemeinschaft, die sichgegenseitig hilft, über Schreiben, Telefonate oder auch private Treffen“, sagt Röschert. Zusammen mit der DSO will er nun erreichen, dass Angehörige so früh wie möglich vom Netzwerk erfahren.
Circa sechs Wochen nach der Organspende verschickt die Stiftung einen Erstbrief an Angehörige und teilt unter anderem mit, welche Organe extransplantiert werden konnten, ob die Empfänger männlich oder weiblich sind und wie es um ihre Gesundheit nach der Transplantation bestellt ist. In diesem Erstbrief der DSO soll nun in einem zunächst bayernweiten Modellprojekt das Netzwerk mit Kontaktmöglichkeiten genannt werden. In einem nächsten Schritt könnten dann deutschlandweit Netzwerk-Ansprechpartner etabliert werden.