Ausverkauf der Arzneien

Apotheker Dr. Helmut Strohmeier sieht die patientennahe Versorgung durch Apotheken vor Ort in Gefahr

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Ein Postpäckchen sei weder bei Frost noch im Hochsommer ein sicherer Arzneimittelversand, moniert Dr. Strohmeier, den Status Quo des Online-Versandhandels mit Arzneien und verweist auf die temperaturabhängige
Haltbarkeit vieler Medikamente. Foto: ©Norbert Schmelz Fotodesign

Gut sichtbar im Eingangsbereich der Theater-Apotheke in Würzburg hängt ein Plakat auf dem steht: „Alle 38 Stunden schließt in Deutschland eine Apotheke. Für immer.“ Nach Hochrechnungen des Branchenportals Apotheke ad hoc haben im vergangenen Jahr in Deutschland rund 300 Apotheken zugemacht, sodass die Anzahl niedergelassener Betriebe 2018 erstmals auf weniger als 19.500 gesunken ist und damit den tiefsten Stand seit 30 Jahren erreicht hat.

„Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange“, sagt Dr. Helmut Strohmeier, Inhaber der Theater-Apotheke in Würzburg. Er prophezeit: „Das Sterben der Vor-Ort-Apotheken geht weiter, wenn die Politik den Versandhandel aus dem EU-Ausland nicht wie andere EU-Mitgliedsstaaten verbietet!“ Fahrt aufgenommen habe der EU-Onlinehandel mit Medikamenten 2016 durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der ausländischen Versandapotheken erlaubt, sich nicht wie deutsche Apotheken an einheitliche Preise halten zu müssen. „Seither haben Online-Apotheken aus dem Ausland einen richterlich legitimierten Wettbewerbsvorteil“, betont Dr. Strohmeier, der mit seiner Frau Uschi seit 33 Jahren in Würzburg eine Apotheke führt.

Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) habe der Versandhandel bei rezeptfreien Arzneimitteln bereits einen Marktanteil von 17 Prozent (etwa 842 Millionen Euro), bei rezeptpflichtigen bis dato erst einen Anteil von einem Prozent am Gesamtumsatz, was bereits mit über 300 Millionen Euro zu Buche schlage, so die ABDA. „Ein Umsatz, der deutschen Vor-Ort-Apotheken verloren geht, die einen24-Stunden-Versorgung in einem Umkreis von zehn Kilometern garantieren, taggleich temperaturkontrolliert liefern, wenn einmal etwas nicht vorrätig ist, und Ansprechpartner im Katastrophenfall sind wie etwa bei Schneechaos, Überschwemmungen, aber auch bei einer Pandemie oder einem Kernreaktorvorfall“, so der Oberstabsapotheker der Reserve Strohmeier.

Zudem würden Apotheken vor Ort in Deutschland Arbeitsplätze sichern, vor allem im Teilzeitbereich, und dem deutschen Staat nicht unerhebliche Steuereinnahmen bescheren, so Helmut Strohmeier. „Die Online-Versender betreiben ‘Rosinenpickerei’ und überlassen die Notfallversorgung und das ‘Salbenrühren’ den Apothekern vor Ort“, sagt Dr. Strohmeier.

Bei seinem letzten Apotheken-Notdienst habe er 25 Mal die „Pille danach“ ausgegeben, eine Bestellung im Internet wäre bei diesen Kundinnen zu spät gekommen. „Aber vom Verkauf der „Pille danach“ können Vor-Ort Apotheken in Deutschland ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag nicht kostendeckend erfüllen“, sagt Strohmeier provokativ und zitiert den Präsidenten des Technischen Hilfswerks in Deutschland, Albrecht Broemme, der in „deutschen Apotheken die letzte zivile Bastion sieht, die Tag und Nacht für die Bevölkerung Gewehr bei Fuß steht“. Das Apothekensterben sei kein plötzlicher, sondern ein schleichender Tod, so Dr. Strohmeier. Man habe Miet- und Personalverträge und oftmals schließe der Apotheker erst mit Erreichen des Rentenalters seine Apotheke, die nicht mehr wirtschaftlich zu führen ist.

„Ich plädiere vehement dafür, dass es wie in 21 anderen EU-Staaten auch in Deutschland verboten wird, mit Dumpingpreisen von Medikamentenversendern aus den Nachbarländern Vor-Ort-Apotheken den Garaus zu machen!“ Ob der Onlinehandel den meist kleinen mittelständischen Betrieben das „Aus“ beschere, bleibe abzuwarten. „Wenn es aber so kommen sollte, werden gewachsene Strukturen zerstört, die unwiederbringlich verloren gehen“, konstatiert Dr. Strohmeier, dem die patientennahe Versorgung vor Ort am Herzen liegt.

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