Arbeit im Krankenhaus ist echte Knochenarbeit!

Professor Dr. Christoph Reiners, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Würzburg, über den täglichen Spagat zwischen Ökonomie und Fürsorge in seinem Haus

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Der Ärztliche Direktor vertritt das Klinikum nach außen und ist Vorgesetzter des wissenschaftlichen, ärztlichen und zahnärztlichen Personals mit Ausnahme von Professoren. Zu seinen Zuständigkeitsbereichen zählen unter anderem Qualitätsmanagement, Krankenhaushygiene, Medizinsicherheit, Strahlenschutz, OP-Management oder die Entwicklung einer Unternehmens-Strategie bis zum Jahr 2020. Foto: Uniklinikum Würzburg

Der Ärztliche Direktor vertritt das Klinikum nach
außen und ist Vorgesetzter des wissenschaftlichen,
ärztlichen und zahnärztlichen Personals mit Ausnahme
von Professoren. Zu seinen Zuständigkeitsbereichen
zählen unter anderem Qualitätsmanagement,
Krankenhaushygiene, Medizinsicherheit, Strahlenschutz,
OP-Management oder die Entwicklung einer
Unternehmens-Strategie bis zum Jahr 2020. Foto: Uniklinikum Würzburg

„Wer aufhört, besser sein zu wollen, hat aufgehört gut zu sein“ – nach dieser Leitlinie agierte bereits der englische Staatsmann und Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie in England, Oliver Cromwell (1599-1658).

Und sie ist immer noch aktuell.

Das bestätigt auch Professor Dr. Christoph Reiners, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Würzburg, in einem Gespräch darüber, wie das Uniklinikum Würzburg (UKW) als einziger Maximalversorger im Umkreis von 100 Kilometern mit einer Bevölkerungsdichte von gut 1,5 Millionen Menschen den Spagat zwischen „Ökonomie und Fürsorge“ schafft: „Im Schnitt gut, aber es gibt noch Luft nach oben!“, betont Dr. Christoph Reiners.

Das bestätigt auch das Focus Krankenhaus-Ranking 2014, bei dem das UKW in Punkto Patientenzufriedenheit mit 21 von 22 maximal möglichen Punkten abgeschnitten hat.

Häufig kein planbares Arbeitsende

Ambulanzen und Stationen leisten mehr als machbar ist. Jedoch sollen die nüchternen Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Ergebnis seinen Preis hat.

Ein Preis, der nicht selten von Ärzten/Ärztinnen, Schwestern/Pflegern und vielen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen in unterstützenden Berufen gezahlt wird.

„Arbeit im Krankenhaus ist echte Knochenarbeit … keine Frage; es gibt leider häufig kein planbares Arbeitsende.

Uniklinika bieten aufwändige Hochleistungsmedizin an mit sehr komplexen Operationen und Behandlungen, deren Abläufe sich manchmal schwer in reguläre Dienstpläne „pressen“ lassen (wie die Stammzell- oder Organtransplantation).

In manchen Fachgebieten liegt die Auslastung der Betten zu Stoßzeiten wegen Überlastung der Notaufnahmen zu über 100 Prozent und viele Ambulanzen des UKWs leisten weit mehr als machbar ist“.

Als Gründe für die Überlastung der Notaufnahmen und Ambulanzen führt das ehemalige Vorstandsmitglied des Verbands der 33 Uniklinika Deutschlands (VUD), Professor Dr. Christoph Reiners, Probleme der Notfallversorgung durch niedergelassene Fachärzte in bestimmten Fachgebieten an sowie lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin, aber auch die Bequemlichkeit vieler Patienten nach Dienstschluss oder am Wochenende mal schnell in die Notfallambulanz zu gehen, um sich Wartezeiten zu ersparen oder tagsüber nicht frei nehmen zu müssen.

„Wir weisen niemanden ab. Die Kehrseite der Medaille war bisher, dass die Hochschulambulanzen dieses „sich Kümmern“, sprich die Fürsorge, nicht ausreichend bezahlt bekamen.

Das soll sich nun durch das Versorgungsstärkungsgesetz bessern“, erklärt Reiners die aktuelle Gesetzeslage.

Hochschulambulanzen werden in Zukunft finanziell besser ausgestattet; eine Perspektive, die es, so der erfahrene Arzt und Krankenhausmanager, hoffentlich erlaube, mehr Personal einzustellen, um den Ansturm auf die betroffenen Fachbereiche schultern zu können.

Deutschlandweite Podiumsdiskussionen des VUD im letzten Jahr mit dem Motto „Hochschulmedizin. Wir leisten mehr!“ hatten unter anderem genau das zum Thema gemacht und damit Öffentlichkeit hergestellt.

Perspektiven für mehr Personal?

Ob medizinische Transportdienste, die Vernetzung mit überweisenden Notärzten oder Intensivstationen, das Schlaganfall- oder Herzinfarkt- Netzwerk - deutschlandweit ist das Würzburger Uniklinikum in Sachen IT-Einsatz, um Leben zu retten, bestmöglich aufgestellt. Foto: Uniklinikum Würzburg

Ob medizinische Transportdienste,
die Vernetzung mit überweisenden
Notärzten oder Intensivstationen,
das Schlaganfall- oder Herzinfarkt-
Netzwerk – deutschlandweit ist das
Würzburger Uniklinikum in Sachen
IT-Einsatz, um Leben zu retten,
bestmöglich aufgestellt. Foto: Uniklinikum Würzburg

Abhilfe müsse jedoch noch an anderen „Baustellen“ wie der Finanzierung der Vorhaltekosten für die Notfallversorgung geschaffen werden, damit die Lücke zwischen Ökonomie und Fürsorge nicht noch weiter auseinanderklaffe.

Hierzu mache der aktuelle Entwurf des neuen Krankenhaus-Strukturgesetzes Hoffnung, denn die Notfallversorgung soll stärker auf Krankenhäuser ausgerichtet werden, die wie die Uniklinika Leistungen rund um die Uhr vorhalten.

Solche Häuser können dafür in Zukunft einen Zuschlag erhalten. Beispielsweise halte das UKW mit dem Strahlenunfall-Zentrum Räume, aufwändige technische Einrichtungen und Apparate vor, die glücklicherweise selten gebraucht würden, jedoch ebenso wie das dazu erforderliche Bereitschaftspersonal immer einsatzbereit sein müssen.

Die jährlichen Aufwendungen in Höhe von rund 500.000 Euro würden nicht einmal ansatzweise vergütet, so Reiners in seiner Eigenschaft als Nuklearmediziner und Mitglied des Krisenstabs der Strahlenschutzkommission beim Bundesumweltministerium.

Dem Uniklinikum verbleibe ein erhebliches Minus, das auf anderer Seite wieder ausgeglichen werden müsse.

Während von Privatkliniken erwartet wird, dass sie ein Plus von bis zu 15 Prozent erwirtschaften, muss das Uniklinikum als Anstalt des Öffentlichen Rechts am Jahresende im Prinzip nur einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.

Etwa der Hälfte der Uniklinika in Deutschland gelingt dies aber nicht mehr, was sich nachteilig auf den Erhalt der Arbeitsplätze und dringend nötige Investitionen und Baumaßnahmen auswirke.

„Der Fürsorgepflicht in allen Belangen nachzukommen und gleichzeitig Null auf Null rauszukommen, wird immer schwieriger, wie die finanzielle Situation nicht nur mancher Uniklinika, sondern auch vieler anderer Krankenhäuser im Lande zeigte“, erklärt der hauptamtliche Ärztliche Direktor die gegenwärtige Situation.

Die aufgrund der demographischen Entwicklung immer älteren Patienten kommen meist mit Mehrfacherkrankungen und können beispielsweise auch bei „einfachen“ Herzkatheter-Untersuchungen nicht nach den Vorgaben des sogenannten DRG Fallpauschalensystems für die Abrechnung gleich wieder entlassen werden, so der Arzt mit Leib und Seele Dr. Reiners.

„Es gibt gute medizinische Gründe im Sinne der Fürsorge und Patientensicherheit, ältere Mitglieder unserer Gesellschaft ein wenig länger dazubehalten, um sicher zu gehen, dass keine Komplikationen auftreten und die Anschlussversorgung zum Beispiel in einer Pflegeinrichtung gesichert ist! Eine Überschreitung der vom Abrechnungssystem vorgegebenen stationären Verweildauern führt aber zu Abzügen bei der Vergütung für das Krankenhaus!“

Selbstausbeutung & Selbstaufopferung

DRG-Fallpauschalen und damit verbundene zeitintensive Dokumentationsaufgaben, mehr Aufklärungspflicht durch das neue Patienten-Rechtegesetz seit 2013 oder höhere, unzweifelhaft notwendige Aufwendungen für Hygiene wegen der Zunahme von Antibiotika-Resistenzen.

All das erschwert die soziale Praxis, für die Ärzte und Pflegekräfte angetreten sind und immer noch antreten – oftmals bis zur Selbstausbeutung und Selbstaufopferung: „Ja, das ist so! Und einige Kollegen/ Kolleginnen kapitulieren auch im Laufe der Zeit und wechseln zum Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder in die Pharmaindustrie.“

Die meisten harren jedoch aus, so wie Professor Dr. Christoph Reiners, der nächstes Jahr seinen 70. Geburtstag feiert und erst dann seinen wohlverdienten Ruhestand antreten wird.

Nach 10-jähriger nebenamtlicher Tätigkeit als Ärztlicher Direktor (seit 2001) hat man ihn gebeten, die Geschicke der Klinik für weitere fünf Jahre hauptamtlich zu lenken. Er ist ein „Kümmerer“ im positivsten Sinn, Dr. Reiners, der Sohn eines Internisten.

Auf die Frage, ob er den Patientenkontakt nicht misse, antwortet er: Früher habe er sich um seine Patienten gesorgt, jetzt könne er sich um seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kümmern.

Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit

Die Fürsorge für Patienten und Mitarbeiter stehe nicht nur auf dem Papier (im Leitbild
der Klinik) an oberster Stelle, sondern auch für ihn persönlich, wenn es um die Arbeitsbedingungen
und die Zufriedenheit des Personals des Uniklinikums gehe.

Im Vergleich zu anderen Uniklinika wenig Fluktuation und in vielen Bereichen überdurchschnittliche Mitarbeiterzufriedenheit zeugen davon, dass der eingeschlagene Weg der Richtige ist mit Maßnahmen wie der Förderung der wissenschaftlichen Karriere von Ärztinnen, dem Auf- und Ausbau einer Mitarbeiter-Kindertagesstätte, besonderen Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten, attraktiven Angeboten des klinikumsinternen Gesundheitsmanagements sowie der Möglichkeit von Teilzeitstellen für Ärzte und Ärztinnen in bestimmten Bereichen.

Und nicht zuletzt den Ausbau der Informationstechnologie, um den am Krankenbett Tätigen den „lästigen Schreibkram“ soweit wie möglich abzunehmen, so dass sie wieder beide Hände frei haben für das, wofür sie einst angetreten sind: Den Menschen zu helfen!

Das Interview mit dem Ärztlichen Direktor der Uniklinik in Würzburg, Professor Dr. Christoph Reiners,
führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury

UKW-Patientenzahlen aus dem Jahr 2014:

56.379 Anzahl vollstationärer Patienten
8.863 Anzahl teilstationärer Patienten
235.589 Fallzahlen ambulanter Patienten
83 % Bettenauslastung
7,21 Durchschnittliche Verweildauer
412.370 Erbrachte Pflegetage

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