Achtsamkeit wird heute wie eine Wunderpille gehandelt. Wir nehmen sie ein mit der Absicht, eine Besserung zu erzielen. Aber genau das ist sie nicht. Achtsamkeit ist der gegenwärtige Augenblick und damit ist sie sowohl unsere jetzige Haltung als auch die bereits jetzt vorhandene Fähigkeit, ganz eins zu sein mit dem, was ist.
Wo liegt der Vorteil von so verstandener Achtsamkeit? Er liegt wortwörtlich auf der Hand. Denn, indem wir eins sind mit dem, was ist, sind wir gedanklich viel seltener in unseren Vorstellungen oder Erinnerungen.
Ist das wirklich ein Vorteil? Ja! Warum? Weil wir dann das Leben leben, anstatt es sich uns vorzustellen. Das ist ein riesiger qualitativer Unterschied. Wir erleben es und das bedeutet auch, dass wir die Momente nicht verpassen, in denen Freude, Genuss oder einfach stille Präsenz sich einstellen. Das bedeutet aber auch, dass wir den Schmerz oder die Trauer erfahren, und weil wir sie erfahren und nicht vor ihnen weglaufen, können wir lernen, mit ihnen zu leben, weil sie zum Leben dazugehören und nicht wirklich vermieden werden können.
Und was hat das Ganze mit Zufriedenheit zu tun? Alles.
Zufriedenheit haben wir bislang als den Zustand definiert, in dem all das fehlt, was uns beunruhigen könnte, oder als den Zustand, in dem sich gerade einmal all das ereignet, was wir uns unbedingt wünschen. Achtsamkeit aber ist die Haltung, in der unser Geist einmal zufrieden, also im Frieden ist, weil er nicht nach Alternativen zum gegenwärtigen Augenblick Ausschau hält. Und genau das ereignet sich dann, wenn wir endlich einmal im Erleben auch das zulassen, wovor wir normalerweise fliehen.
Gastbeitrag des Zen-Meisters Dr. Alexander Poraj, spiritueller Leiter des Benediktushofes in Holzkirchen.