Aller Anfang ist schwer?

Apotheker Dr. Helmut Strohmeier über die Einführung des E-Rezeptes

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© Norbert Schmelz Fotodesign

Im Moment hat es den Anschein, dass die längst überfällige Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen mit viel zu großen Schuhen losgeschickt wurde … mit der Konsequenz, dass sie pausenlos stolpert und über ihre eigenen Füße fällt. Seit 1. Januar 2024 ist das Elektronische Rezept (E-Rezept) am Start. Lebenslinie hat bei Apotheker Dr. Helmut Strohmeier nachgefragt, wie denn die Praxis ausschaut. „Es ist ein Chaos hoch drei“, so der Pharmazeut. „Ärzt:innen entscheiden sich aus Zeitmangel für Sammelunterschriften in der Mittagspause oder nach Feierabend, Patient:innen kommen drei, vier Mal in die Apotheke wegen eines Rezeptes und der Server, auf den rund 17.000 Apotheken und alle Ärzt:innen hierzulande zugreifen, stürzt regelmäßig ab“, berichtet Dr. Strohmeier.  Gut gemeint, aber nicht gut gemacht? Sollte durch die Digitalisierung nicht alles einfacher und schneller gehen? Zugegeben: Aller Anfang ist schwer! Dennoch würde man, wenn man im Restaurant beispielsweise halbgare Kartoffeln mit mehr das bissfestem Spargel serviert bekäme, das Gericht zurückgehen lassen. „Digitalisierung in Deutschland heißt momentan: ausdrucken und abheften“, so Strohmeier. Das E-Rezept sei unausgegoren an den Start gegangen. „Formfehler auf dem E-Rezept dürfen (mit Ausnahme einer fehlenden Dosierungsanweisung) Apotheken nicht heilen.“ Die Arztpraxis müsse ein neues Rezept ausstellen! Dr. Strohmeier: „Das E-Rezept ist ein Schnellschuss, der alle Beteiligten momentan überfordert.“ Derzeit gelte das E-Rezept nur für Kassenpatient:innen und auch nicht für Hilfsmittel oder Betäubungsmittel. Ob und wie Privatpatient:innen das E-Rezept in Zukunft einlösen können, stehe noch in den Sternen. Viele Gesundheitskarten von Privatpatient:innen haben nämlich keinen Chip, den der Konnektor in der Apotheke jedoch benötigt, um das E-Rezept vom Server, auf den es die:der Ärzt:in gestellt hat, abrufen zu können. Für zeitaufwendige Komplikationen sorge derzeit zudem die instabile Telematik-Infrastruktur, so Dr. Strohmeier. Am Interviewtag war der Server beispielsweise mehrere Stunden nicht anwählbar. Antibiotika, Antihistaminika oder andere dringend benötigte Medikamente könnten in dem Fall nicht ausgegeben werden, außer die Praxis stelle ein Papier-Rezept aus! Apropos Papier … laut Professor Karl Lauterbach haben Patient:innen das Recht, sich das E-Rezept in der Praxis auf Papier ausdrucken zu lassen, da sie die Verordnung plus Dosierungsempfehlung durch das neue Verfahren sonst nicht mehr sehen können. Abhilfe schaffen könnte die E-Rezept-App, mit der man das Rezept aufs eigene Handy laden kann. „Die funktioniert aber noch nicht“, weiß Dr. Strohmeier. Bis 1. Juli soll das E-Rezept auch für Privatpatient:innen kommen, dann auch für Medizinprodukte, Hilfsmittel und Betäubungsmittel. Noch in diesem Jahr geht dann auch die elektronische Patient:innen-Akte (ePa) an den Start. Zu hoffen ist nur, dass dann die Schuhe passen …

 

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