Abenteuer mit unsicherem Ausgang?

Abenteuer mit unsicherem Ausgang? Walter Herberth und Jürgen Winter über Kliniken, die am Tropf der Politik hängen wegen fehlender Begleitung der Transformationsprozesse bis zur Umsetzung der Krankenhausreform

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„Es ist in höchstem Maße unanständig, die Krankenhäuser mit ihren Mitarbeitenden, die vor nicht allzu langer Zeit – auch von der Politik – noch beklatscht wurden, jetzt finanziell ausbluten zu lassen“, sagt Walter Herberth, Leiter der Stiftung Juliusspital in Würzburg und Gesellschaftervertreter des Klinikums Würzburg Mitte (KWM) mit den Krankenhäusern Missio-Klinik und Krankenhaus Juliusspital. Und Jürgen Winter, Geschäftsführer des Leopoldina Krankenhauses in Schweinfurt, schließt sich dem an und kritisiert bei der angestrebten Krankenhausreform, die bis dato mit einem Eckpunktepapier vorliegt, unter anderem das Transparenzregister, das im April online gehen soll. Hier strebt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Bewertung aller Kliniken etwa nach Häufigkeit und Qualität der Behandlung an. Winter: „Die Kommunikation von Professor Lauterbach ist desaströs. Das Wording hinter diesem Transparenzgesetz ist, dass kleinere Häuser weniger gute Ärzt:innen haben. Er spricht per se Grund- und Regelversorgern eine qualitätvolle Behandlung ab. Das stimmt einfach nicht!“ Und das sind nicht die einzigen Aufreger, die die angestrebte Krankenhausreform von Karl Lauterbach generiert. Ende 2023 luden nahezu alle unterfränkischen Klinikchefs zu einer Pressekonferenz, um auf die prekäre wirtschaftliche Situation ihrer Häuser aufmerksam zu machen. „Das aufklaffende Haushaltsloch entstand, weil insbesondere die kommunalen Träger nun bereits seit zwei Jahren die Betriebskosten zu einem hohen Anteil mitfinanzieren. Diese müssen aber per Gesetz vom Bund getragen werden.“ Dazu gehöre etwa auch die Steigerung der Personalkosten aufgrund der tariflichen Vereinbarungen. „Die Personalkosten schultern die Krankenhäuser mit Ausnahme der Pflegekräfte am Bett derzeit aber zur Hälfte selbst,“ so Klinikchef Jürgen Winter. 

Kliniksterben ausbremsen

40 Kliniken haben bereits im letzten Jahr bundesweit Insolvenz angemeldet und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gaß, schätzt, dass dieses Jahr mindestens 80 weitere folgen werden. Die Krankenhauslandschaft erfährt gerade einen kalten Strukturwandel. Die Konsequenz: ein Kliniksterben. Ende 2023 mussten bereits zahlreiche Kliniken Kredite aufnehmen, um etwa das Weihnachtsgeld an ihre Mitarbeitenden auszahlen zu können. Die traurige Wahrheit auch hier in der Region ist, dass es sowohl für die Theresienklinik in Würzburg als auch für das St. Josefs Krankenhaus in Schweinfurt kein „Weiter so“ geben wird. Das ist auch der aktuelle Aufhänger und die Klammer, die unsere beiden Gesprächspartner Walter Herberth (Stiftung Juliusspital und Klinikum Würzburg Mitte) und Jürgen Winter (Leopoldina Krankenhaus Schweinfurt) hier verbindet. Karl Lauterbachs anvisierte Umgestaltung des stationären ­Krankenhausbetriebs anhand von υ
υ neu zugeschnittenen Leistungsgruppen und der Fokussierung auf die ambulante Versorgung hat Martin Stapper, Geschäftsführer der Kongregation der Schwestern des Erlösers, Träger der Theresienklinik in Würzburg und des Krankenhauses St. Josef in Schweinfurt, schlaflose Nächten bereitet und letztendlich zu einem weitreichenden Entschluss veranlasst. „Wir sind zu der Entscheidung gekommen, dass es ein ‚Weiter so‘, also ein Weiterbetrieb der Theresienklinik und des Krankenhauses St. Josef in der derzeitigen Form, nicht möglich sein wird“, erklärt Stapper. Um den Krankenhausstandort Schweinfurt zukunftsfähig zu machen, haben Stapper und Winter bereits 2021 Gespräche aufgenommen. Nach dem Abwägen zahlreicher Optionen kristallisiere sich nun eine Übernahme des Krankenhauses St. Josef durch das Leopoldina heraus, so Jürgen Winter. „Um sich gegen die seit der Einführung der Fallpauschalen 2005 absehbaren Konzentrationsprozesse in der Krankenhauslandschaft zu wappnen, gingen die Missio-Klinik und das Krankenhaus Juliusspital bereits 2017 eine Kooperation ein und schlossen sich zum KWM zusammen“, erklärt Walter Herberth. So aufgestellt, überlegt das KWM derzeit die Theresienklinik weiter zu „bespielen“. „Es gibt Pläne, in der Theresienklinik ein ambulantes Operationszentrum zu betreiben, um im KWM Kapazitäten frei zu machen für den stationären Betrieb“, betont Herberth. Hierbei handle es sich aber nicht um eine Übernahme wie in Schweinfurt, die Theresienklinik bleibe weiterhin im Besitz der Kongregation. Das KWM werde nur die Räumlichkeiten nutzen. 

Ambulant vor stationär

Stichwort „Ambulantisierung“ … diese wird im Eckpunktepapier der Krankenhausreform ziemlich hoch gehängt. Was aber bedeutet mehr ambulantes Operieren für die Patient:innen? Jürgen Winter: „Prinzipiell ist der Ansatz, durch mehr ambulante Eingriffe, Kosten zu minimieren, legitim.“ Die Medizin entwickle sich stetig weiter, und vieles, was früher nur stationär möglich war, gehe heute auch ambulant. Aber! Wenn der ambulante Sektor hochgefahren werde, müsse sektorenübergreifend reformiert werden. Denn mehr ambulantes Operieren zieht unweigerlich einen höheren Bedarf an ambulanter Nachsorge, durch niedergelassene Ärzt:innen, Sozialdienste, Pflege- und Reha-Einrichtungen nach sich, die alle jetzt schon – vor allem wegen des andauernden Fachkräftemangels – am Limit fahren. Zudem merkt Oberamtspflegedirektor Walter Herberth an, müsse die Entscheidung, welche Patient:innen ambulant und welche stationär operiert werden, weiterhin den Ärzt:innen überlassen bleiben und es dürften keine Sanktionen erfolgen, wenn ältere, multimorbide Patient:innen weiterhin stationär operiert und versorgt werden. Um aber all das ordentlich über die Bühne zu bringen, sprich neben der Krankenhausreform auch eine Gesundheitsstrukturreform auf den Weg zu bringen, brauche es eine Übergangszeit, bis die Transformation in allen Bereichen vollzogen ist. „Und diese Transformationsprozesse müssen sinnvoll begleitet werden“, merkt Winter an. „Das passiert gerade aber nicht“, konstatiert Herberth. „Momentan wird den Krankenhäusern der Boden unter den Füßen entzogen und man stürzt sie in ein Abenteuer mit unsicherem Ausgang“, so der Gesellschaftsvertreter eines gemeinnützigen Krankenhauses. Momentan liegen die Kliniken selbst auf Intensiv und hängen am Tropf der Politik. Und es schaut derzeit so aus, dass die Überlebensrate dem Schicksal überlassen bleibt!

Das Interview mit Walter Herberth,  Leiter der Stiftung Juliusspital und Gesellschaftsvertreter des Klinikums Würzburg Mitte, und Jürgen Winter, Geschäftsführer des Leopoldina Krankenhauses Schweinfurt, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

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