Wenn andere schlafen …

Eine Krankenschwester, ein Pfleger und eine Ärztin über das Arbeiten in der Nacht

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Von Anfang an war ihr klar gewesen: Als Krankenschwester tätig zu sein, bedeutet, auch nachts Dienst tun zu müssen. Dennoch hatte sich Carola Mawatage mit 16 Jahren für diesen Beruf entschieden. Sie arbeitete als Pflegerin auf einer Intensivstation, war in einer Unfallchirurgie im Einsatz und ist derzeit im Würzburger Marie-Juchacz-Haus der Arbeiterwohlfahrt tätig. Dort arbeitet Mawatage oft zu nachtschlafender Zeit. „Meist bin ich sechs bis sieben Nächte am Stück im Einsatz“, erzählt die in der ehemaligen DDR aufgewachsene 61-Jährige. Seit über 40 Jahren tut sie nachts Dienst: „Das war schon während der Ausbildung so.“ Für sie sei das auch immer okay gewesen: „Ich bin jemand, der nachts gut arbeiten kann.“ Für Leute, die sich auch ohne Spät- oder Nachtarbeit häufig schlaflos im Bett wälzen, wäre ein Beruf mit dauernden Einsätzen zu später Stunde sicher nichts. „Es gibt Menschen die selbst dann, wenn sie todmüde sind, nicht schlafen können“, bestätigt Carola Mawatage. Sie selbst sei zum Glück nicht betroffen: „Ich kann gut schlafen.“ Die Rahmenbedingungen für die Arbeit nachts im Pflegeheim hätten sich der Krankenschwester zufolge zum Teil verbessert, zum Teil verschlechtert. Früher beanspruchte sie der Dienst in der Nacht völlig: „Nachtwachen waren in der Nacht ganz alleine, wir waren rund um die Uhr am Rennen, das hat sich erst vor etwa zehn Jahren geändert.“ Hat sie heute Nachtdienst, wird sie von zwei Pflegehelfern unterstützt. Verschlechtert habe sich die Situation dadurch, dass man heute nicht mehr, wie früher, nach sieben Nächten auch sieben Tage frei hat. Heute habe sie höchstens vier freie Tage. Teilweise weniger. In seltenen Fällen, wenn das Personal knapp ist, gebe es sogar nur einen oder zwei freie Tage: „Das geht dann an die Substanz.“ Wenn andere das Frühstück abräumen und sich auf den Weg zur Arbeit machen, ist die Pflegerin normalerweise mit ihrem Dienst fertig: „Er geht von 21 bis 6.45 Uhr.“ Die schlimmste Zeit sei von 1.30 bis 3 Uhr: „Da hat mein Körper seinen Tiefpunkt.“ Um ihren Beruf durchzuhalten, lebt die Würzburgerin gesund: „Ich esse kein Fleisch, nehme Vitamine, bin oft mit meinem großen Hund draußen und schwimme im Sommer direkt nach der Nachtwache zwei Kilometer jeden Tag.“ Auch Dr. Sibyl Mittler, Oberärztin an der Würzburger Missioklinik, gestaltet ihre freie Zeit nach nächtlichen Arbeitseinsätzen, wie sie sagt, „bewusst aktiv und positiv“. Jedem, der Nachtwache oder, wie sie selbst, nachts Rufbereitschaft hat, rät sie, sich „Erholungsinseln“ zu schaffen: „Bei mir sind das zum Beispiel Spaziergänge durch den Weinberg.“ Mindestens ein bis zwei Stunden solle man etwas machen, was einem guttue: „Und nicht nur nach Hause gehen, um die Spülmaschine auszuräumen oder sonst etwas zu machen, was ansteht.“ Dass Dr. Mittler dann, wenn sie Rufbereitschaft hat, die ganze Nacht nicht schläft, sei eher selten. Es gebe Nächte, in denen sie gar nicht gerufen wird. Durchschnittlich habe sie einen Einsatz pro nächtlicher Rufbereitschaft: „Es können aber auch drei bis vier sein.“ Oft wird die Anästhesiologin nachts in die geburtshilfliche Abteilung oder zu operativen Notfällen gerufen. Manchmal hat sie zwischen zwei Einsätzen nur ein wenig gedämmert, manchmal wirklich tief geschlafen. Für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, weiß Mittler, sei es schwierig, nach einem nächtlichen Ruf wieder einschlafen zu können: „Man ist ja bei einem solchen Einsatz auf Hochtouren und muss erst wieder runterfahren.“ Ihr selbst gelinge es nach 30 Jahren mit regelmäßigem Nachtdienst ganz gut, bald, nachdem sie herausgerissen wurde, wieder einzuschlafen: „Ich habe aber schon als Kind im Auto einschlafen können.“ Ihr Körper wisse Ruhezeiten gut zu nutzen. Um gesund zu bleiben, macht die Anästhesistin Yoga. Entspannungstechniken helfen nach ihren Worten gerade bei Nachtschichten, mit den Belastungen umzugehen. Von Bedeutung sei darüber hinaus, dass man ein gutes Arbeitsklima und ein gutes Team habe: „Es ist gerade nachts wichtig, dass man aufeinander Rücksicht nimmt.“ Hat einer aus dem Team gerade einen Tiefpunkt, sei es gut, wenn die andern zu ihm sagen: „Geh erst mal einen Kaffee trinken und erhole dich ein bisschen, dann komm zurück.“  Schichtarbeit schlaucht, bestätigt Michael Bauch, Vorsitzender des Betriebsrats im Klinikum Würzburg Mitte, zu dem die Missioklinik gehört. „Das Privatleben steht zur Disposition, wenn man es nicht schafft, Grenzen zu setzen und Nein zu sagen“, so der Krankenpfleger. Gesundheitsgefahren wie Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Reizbarkeit, erhöhtes Risiko von Brust- und Darmkrebs sowie Depressionen träten bei Menschen, die nachts arbeiten, gehäuft auf. Planbare Arbeiten, die viel Konzentration erforderten, sollten nicht zwischen 2 und 5 Uhr erledigt werden, rät er. In dieser Zeit komme es zum Leistungstief. Die Schlafbereitschaft sei am höchsten, die physische und psychische Leistungsfähigkeit am geringsten: „In dieser Zeit passieren deshalb auch die meisten Fehler.“

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