Große Unaufmerksamkeit, stark ausgeprägte Impulsivität und eine deutliche Hyperaktivität – das sind die drei Kernsymptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung namens ADHS. Fünf Prozent aller Menschen sind weltweit davon betroffen.
Die Frage, wie man therapeutisch am besten mit der Störung umgehen soll, sorgt seit Jahrzehnten für Kontroversen. Was neueste wissenschaftliche Studien sagen, wurde beim 6. Bayerischen ADHS-Tag in Würzburg zur Diskussion gestellt.
Eltern versuchen eine ganze Menge, um positiv auf die Störung ihres Kindes einzuwirken. Einige probieren Ausschlussdiäten aus, andere vermeiden künstliche Farbstoffe in der Nahrung. Schließlich wird eine Menge Geld in Konzentrationstraining, Elternschulungen oder Neurofeedback investiert.
„Doch nichts davon hat deutliche Effekte in Bezug auf die Hauptsymptome“, betonte Prof. Dr. Marcel Romanos, Leiter der Würzburger Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg. Neueste Metaanalysen, die dies aufzeigten, seien auch für Experten „frustrierend“ und „ernüchternd“ gewesen. Medikamente hingegen können dem Psychiatrieprofessor zufolge nachweislich helfen.
Kinder, die behandelt werden, verunfallen außerdem deutlich seltener. Allerdings hat Ritalin kaum Effekte auf die vielfältigen Probleme, die zur Kernsymptomatik hinzukommen.
Viele Kinder mit ADHS leiden Romanos zufolge zum Beispiel an Depressionen oder Ängsten, es kommt häufig zu familiären Problemen und Lernstörungen: „Hier brauchen wir differenzierte verhaltenstherapeutische Verfahren.“ Noch sei jedoch nicht bekannt, welches Kind, welcher Jugendlicher und welcher Erwachsener genau welche Therapie benötigt.
Trotz jahrzehntelanger ADHS-Forschung fehlen Daten für eine individualisierte Behandlungen der Nebensymptome bei ADHS. Aus diesem Grund wurde kürzlich ein deutschlandweites Multi-Center-Projekt gestartet, an dem auch die Würzburger Universitätsklinik teilnimmt.
„Escalife“ heißt die vom Bundesbildungsministerium geförderte Forschungsinitiative. Hierfür werden bundesweit noch Teilnehmer gesucht. So sollen Eltern von Kleinkindern ein spezielles, intensives Training erhalten, um herauszufinden, ob dadurch dem Kind und seiner Familie geholfen werden kann.
Auch können Kind und Familie psychotherapeutisch behandelt werden. Bei Grundschülern wird untersucht, wie gut ein auf verhaltenstherapeutische und pharmakologische Interventionen basierendes Behandlungsprogramm wirkt.
Für Jugendliche gibt es ein ähnliches, allerdings abgewandeltes Programm. Auch junge Erwachsene mit ADHS werden einbezogen. Hier wird untersucht, inwieweit Psychoedukation in der Klinik, ein Telefonassistiertes Selbsthilfeprogramm (TASH), psychotherapeutische Maßnahmen, Neurofeedback oder auch eine medikamentöse Behandlung helfen.
Familien mit Kindern bis 15 Jahren, die an der Studie teilnehmen möchten, können sich direkt beim Forschungsteam der Würzburger Uniklinik melden: kjp_escalife@ukw.de.