Phagen als neue Hoffnung?

Forscherinnen und Forscher tüfteln an Strategien zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten

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Rund 1.600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Mikroorganismen befassen, tauschten sich vom 2. bis 5. Juni in Würzburg über Bakterien und Bakteriophagen, Viren und Pilze aus. Organisiert wurde die Tagung mit 30 internationalen Sprecherinnen und Sprechern von der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie und der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie. Unter anderem ging es um Bakteriophagen als Alternative zur medikamentösen Antibiotika-Behandlung. Bakteriophagen, oder kurz „Phagen“, sind Viren, die Bakterien infizieren. Laut Professor Cynthia Sharma, Leiterin des Lehrstuhls für Molekulare Infektionsbiologie II an der Uni Würzburg, sind sie für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktuell interessant als mögliche neue antimikrobielle Therapie: „Zum Beispiel bei Infektionen mit multiresistenten Keimen, die auf keine Antibiotikatherapie ansprechen.” Neue Therapieansätze für Infektionskrankheiten zu finden, werde nach ihren Worten wegen zunehmender Antibiotikaresistenzen immer wichtiger. Zur Philosophie der Tagung gehörte es, Mikroorganismen nicht für sich allein zu betrachten, sondern sie in Gesamtzusammenhänge einzubetten. So wurde die Frage erörtert, wie der Klimawandel Mikroorganismen beeinflussen kann. Durch die Erderwärmung könnte es möglich werden, dass sich Mikroorganismen, die normalerweise nicht bei 37 Grad überleben, an die Körpertemperatur des Menschen anpassen. Vor diesem Hintergrund geht es nicht mehr länger nur um die Frage, wie Mikroorganismen Krankheiten verursachen. Sondern auch, unter welchen Umständen sie dies tun. „Wir wollten auch nicht nur über die Biologie von Bakteriophagen sprechen, sondern Erfahrungen darüber austauschen”, so Sharma. Erörtert wurde, wie zukünftig Phagen effizienter zur Behandlung von Infektionen eingesetzt werden könnten. Um dies zu erreichen, sei ein besseres Verständnis der Interaktion von Bakterien und Phagen erforderlich, erläuterte die Sprecherin des Zentrums für Infektionsforschung an der Uni Würzburg. Es ist noch nicht lange her, dass das Immunsystem bei Bakterien entdeckt wurde. „In den letzten Jahren gab es eine regelrechte Revolution in der Phagenforschung”, so die Infektionsbiologin. Mit Infektionsforschung befasst sich in Würzburg auch Professor Oliver Kurzai. „Wir müssen mit neuen und mutierten Erregern rechnen, die unser Leben zum Teil dramatisch beeinflussen können“, warnte der Direktor des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der Uni Würzburg. Analysesoftware und künstliche Intelligenz könnten nach seinen Worten in der mikrobiologischen Diagnostik sehr hilfreich sein. „Wir analysieren heute komplette Genomsequenzen von Mikroorganismen, um Ausbrüche und Infektionsketten zu rekonstruieren”, ­erläuterte er. Bestimmte Algorithmen könnten in Zukunft diese Daten autark analysieren und frühzeitig vor Ausbruchsgeschehen warnen. Sorgen bereite Kurzai aktuell der neue Hefepilz candida auris, der sich gerade weltweit ausbreitet. Es stelle sich die Frage, was man machen könnte, um die Ausbreitung früh zu erkennen und möglichst zu verhindern. Gerade auch hier ist für den Wissenschaftler der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) denkbar. KI und Digitalisierung können laut dem Professor außerdem helfen, Forschungsdaten schneller und besser zu analysieren. Die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer  diskutierten vor diesem Hintergrund Möglichkeiten und Grenzen von KI-Verfahren. Auch über die oft langandauernden Folgewirkungen nach Covid-19, einer Sepsis oder einer RSV-Infektion wie zum Beispiel Fatigue als verbreitetes Symptom von Long-Covid wurde diskutiert. Wie es zu den Folgewirkungen kommt, verstehe die Wissenschaft noch nicht ganz, so Oliver Kurzai. Deshalb müsse weiterhin in Forschung investiert werden. Dies soll in einem neuen „Bayerischen Netzwerk Infektionsprävention“ geschehen: „Infektionsfolgeerkrankungen werden hier eine wichtige Rolle spielen.“ Das Zentrum soll von Würzburg aus koordiniert werden.

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