Ins Schwarze treffen

Therapeutisches Bogenschießen: mit Pfeil und Bogen die innere Mitte im Visier

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Mit Pfeil und Bogen Körper, Geist und Seele verbinden. Klingt auf den ersten Blick befremdlich? Doch kann therapeutisches Bogenschießen zusammen mit therapeutischen Gesprächen Betroffene nachhaltig bei der Bearbeitung seelischer Probleme unterstützen. Davon ist Jürgen Fries überzeugt. 2017 gründete der der Diplom-Psychologe „Bow & Soul“, seither bietet er in Eibelstadt bei Würzburg unter anderem therapeutisches Bogenschießen an. Dabei gibt er zu, dass er damit zwei seiner Leidenschaften verbinde: „Bogenschießen gibt mir Ruhe, Halt und Kraft zugleich. Menschen in ihrer Entwicklung und in Krisen zu begleiten, ist meine Berufung.“ In seinen Achtsamkeits- und Entspannungskursen lernen die Teilnehmer:innen, sich auf sich selbst zu besinnen, ihre Mitte zu finden – ruhiger und gelassener zu werden. Dabei stehe nicht die kurzzeitige Ablenkung im Vordergrund, sondern in der Fokussierung auf Pfeil und Bogen, Achtsamkeit und Ruhe in der Bewegung zu erfahren, um Ressourcen wiederzuentdecken. Therapeutisches Bogenschießen sei Teil einer umfassenden Psychotherapie, erklärt Fries. Es kann Patient:innen den Zugang zu eigenen Emotionen und problematischen Mustern ermöglichen.

Beim Bogenschießen, das in diesem Zusammenhang auch als „Spiegel der Seele“ betrachtet werde, könnten sich Besonderheiten des Einzelnen, Problematiken, Lebensthemen oder Verhaltensmuster widerspiegeln. „Es geht darum, etwa innere Unruhe, Selbstzweifel, Perfektionismus, Selbstabwertung oder soziale Themen wie Verunsicherung, Angst vor Kritik mithilfe des Bogenschießens zu bearbeiten und Lösungen dafür zu entwickeln“, so Fries. Therapeutisches Bogenschießen sei keine neue Technik des Bogenschießens. Es werde auch kein spezielles Material verwendet und es gehe nicht um sportliche Leistung, Perfektion und Erfolg. Im Vordergrund stünden vielmehr Erleben, Selbsterfahrung und persönliche Entwicklung. Deshalb brauche es auch keine besonderen körperlichen Voraussetzungen, um, übertragen gesprochen, „ins Schwarze zu treffen.“ Allerdings würden starke körperliche Einschränkungen in den Bewegungsabläufen sowie vorhandene Verletzungen, die dazu führen, dass das Spannen des Bogens und das Loslassen des Pfeils nicht ausgeführt werden können, das therapeutische Bogenschießen praktisch unmöglich machen. Andere körperliche Einschränkungen gebe es nicht, Bogenschießen könnten auch Menschen im Rollstuhl.

Der Diplom-Psychologe bietet therapeutisches Bogenschießen einzeln sowie in kleinen therapeutischen Gruppen an, sowohl in seiner Praxis in Eibelstadt als auch in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kliniken und Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. ©Raphaela Vögele

Das therapeutische Bogenschießen lasse sich in vielerlei Hinsicht einsetzen: Fries setzt es bei Jugendlichen und Erwachsenen ein, Altersgruppen und Geschlechter sind dabei ähnlich gleich verteilt. In den Bereichen der Aufmerksamkeit und Fokussierung eignet sich Bogenschießen schon bei Kindern ab zehn Jahren. Beim therapeutischen Bogenschießen für Kinder und Jugendliche mit Schwierigkeiten in der Aufmerksamkeitssteuerung und Konzentration (ADHS) sowie auch im Bereich der Impulskontrolle würden diese lernen, sich auf ein Ziel zu fokussieren, dabei Störquellen von außen auszuschalten. „Dabei kann der ruhig fließende Bewegungsablauf gerade für motorisch unruhige Personen eine intensive, positive Erfahrung darstellen“, sagt der Psychologe. Für Jürgen Fries ist es bedeutsam, welche Gefühle beim therapeutischen Bogenschießen im Einzelnen hochkommen. „Neben innerer Zufriedenheit, Ruhe und Gelassenheit, der Freude über den Erfolg, können sich auch Trauer, Enttäuschung, Wut oder Aggressionen zeigen.“ Wichtig ist ihm: „Beim therapeutischen Bogenschießen geht es nicht darum, diese Gefühle aufzudecken, vielmehr begleite ich die Menschen in ihrer Wahrnehmung, versuche diese in den Therapieprozess einzubeziehen und unterstütze sie so bei der Verarbeitung.“

Mit dem therapeutischen Bogenschießen begleitet Fries zeitweise auch Menschen, die in den eher klassischen Therapieformen noch nicht ihren Weg gefunden haben. „Beim therapeutischen Bogenschießen geht es darum, sich zu öffnen, Zugang zu den tieferliegenden Problemen zu finden und so auch viele überraschende Momente zu erleben“, sagt Fries. Weil das Bogenschießen Körper, Geist und Seele gleichermaßen anregt und verbindet, würden sich die Menschen im Kontrast aus Spannung, Entspannung und Gelassenheit spüren und erleben. Fries weiß: „Therapeutisches Bogenschießen kann helfen, die innere Mitte wieder zu finden.“

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