Das Uniklinikum Würzburg betreibt seit 70 Jahren eine eigene Apotheke. Das Jubiläum ist ein guter Anlass, um auf die Entwicklung der Einrichtung zurückzublicken, die aus dem Betrieb eines Klinikums der Maximalversorgung nicht mehr wegzudenken ist.
Eigentlich könnte es die Apotheke des Uniklinikums Würzburg (UKW) schon seit fast 100 Jahren geben, denn bereits in den Planungen des im Jahr 1921 in Betrieb gegangenen Luitpoldkrankenhauses in Grombühl war eine solche Einrichtung vorgesehen. „Allerdings wurden die dafür vorgesehenen Räume damals anderweitig vergeben. Stattdessen versorgten in den anschließenden Jahrzehnten öffentliche Apotheken das Krankenhaus mit Medikamenten“, berichtet Dr. Johann Schurz, der die Klinikapotheke des UKW von 1994 bis Ende 2015 leitete und sich intensiv mit deren Geschichte beschäftigt.
Start mit fünf Kräften auf 210 m²
Laut seinen Quellen wuchs ab den 1930er Jahren am Klinikum die Unzufriedenheit mit dieser externen Lösung. Insbesondere gab es Bedenken bezüglich der Sterilität der „Einspritzungslösungen“, also der zugelieferten Infusionen. Dennoch dauerte es – nicht zuletzt wegen des Zweiten Weltkriegs – noch bis 1949, bis die Genehmigung zur Ersteinrichtung einer Krankenhausapotheke vorlag. Zum Jahresbeginn 1950 wurde die Betriebserlaubnis erteilt und die Apotheke startete im Keller und im Erdgeschoss des Gebäudes D2 im heutigen Klinikumsaltgelände an der Josef-Schneider-Straße. Gerade mal 210 m² Betriebsfläche standen zur Verfügung. Der leitende Apotheker Dr. Fritz Köchel konnte damals auf die Unterstützung von vier Beschäftigten zurückgreifen und versorgte damit die in Grombühl untergebrachte Chirurgische und Medizinische Klinik sowie die Haut-, Kinder- und Ohrenklinik.
Bereits in den Anfangsjahren wurde eine Sterilabteilung aufgebaut, um die Kliniken mit selbst hergestellten sterilen Infusionslösungen zu versorgen. Durch die Ausweitung der Patientenversorgung auf die im Stadtbereich verbliebenen Kliniken, die Erweiterung des Klinikums sowie das steigende Arzneimittelangebot breitete sich die Apotheke während der nächsten Jahrzehnte innerhalb des Gebäudes D2 kontinuierlich aus. Zu Beginn der 1980er Jahre belegte sie nach einem Komplettumbau vier Ebenen des Gebäudes und verfügte über rund 1200 m². Dort war es unter anderem möglich, gerade patentfrei gewordene, kleinvolumige Lösungen mit Wirkstoffen in größeren Chargen mit deutlichen wirtschaftlichen Vorteilen zu produzieren.
Als organisatorische Weiterentwicklung wurde 1981 außerdem die Arzneimittelkommission ins Leben gerufen. Sie kümmert sich seither um eine sinnvolle Auswahl und den rationellen Einsatz der am UKW angebotenen Arzneistoffe.
Seit 2002 eigene Chemotherapeutika-Herstellung
„Ein wichtiger Schritt in Richtung Qualität und Wirtschaftlichkeit war die Eröffnung der Zytostatika-Abteilung im Jahr 2002“, schildert Dr. Schurz und fährt fort: „Seit diesem Zeitpunkt ist die Apotheke in der Lage, Krebspatienten des Klinikums mit individuell dosierten und unter Reinraumbedingungen hergestellten Chemotherapeutika zu versorgen.“
Eine weitere essentielle Erweiterung des Leistungsspektrums ist die seit 2011 mögliche eigene Herstellung von klinischen Ernährungslösungen. Die aseptisch im Gebäude D5 gefertigten Produkte dienen der patientenindividuellen Versorgung von Früh- und Neugeborenen sowie Kindern mit Krebserkrankungen, die anderweitig nicht ausreichend ernährt werden können.
2014: Umzug in die Aumühle
Im Lauf der Zeit wurde es immer schwieriger, das Sortiment im Altbau D2 gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu lagern und zu kommissionieren. Auch bei der Eigenherstellung von Medikamenten wurden immer höhere Standards gefordert, die laut Dr. Schurz am Altstandort kaum noch zu realisieren waren.
Deshalb zog ein Großteil der Klinikapotheke in 2014 und 2015 in den ersten Stock des UKW-Zentrallagers im nahegelegenen Industriegebiet Aumühle um. Nur die Herstellung von Zytostatika und der parenteralen Ernährung, wie auch das Infusionslager im Zentrum für Operative Medizin verblieben bis heute an den alten Standorten. Der räumliche Neustart bot die Chance, die Ausstattung und die Organisationsstruktur der Arzneimittellogistik dem Stand der Technik anzupassen. So ist dort seither beispielsweise ein halbautomatisches Kommissionierungssystem im Einsatz, das hilft, menschliche Zuordnungsfehler zu minimieren.
Nach der Logistik wurde auch die Arzneimittelproduktion in die Innere Aumühlstraße verlagert. Die Apotheke stellt für die Kliniken des UKW vor allem Medikamente her, die von der Pharmaindustrie nicht angeboten werden. Außerdem überbrückt sie – sofern technisch realisierbar – Lieferengpässe. Viele Präparate werden auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten „maßgefertigt“.
Heute: Ein immenses Produktportfolio
Nachdem Dr. Schurz Ende 2015 in den Ruhestand ging, übernahm im Jahr 2016 Dr. Mareike Kunkel die Führung der Apotheke. Sie ist damit die fünfte Leitungskraft in der 70-jährigen Geschichte der Einrichtung. Im Vergleich zu den bescheidenen Anfängen führt sie ein veritables „Unternehmen“ mit fast 70 Mitarbeiter*innen. „Unser Lager verwaltet rund 2200 Firmenprodukte, während wir über 150 weitere Arzneimittel standardmäßig in fast 2000 Herstellungen pro Jahr – von Kapseln über Salben und Nasentropfen bis zu Infusionslösungen – selbst herstellen“, beschreibt Dr. Kunkel.
Besonders gefordert wurden die Apothekenleiterin und ihr Team durch die erste Welle der Corona- Pandemie in diesem Frühjahr. „Durch die Pandemie verdreifachte sich am UKW – wie auch weltweit – der Verbrauch an Arzneimitteln für die Sedierung von beatmeten, intensivpflichtigen Patienten“, erläutert Dr. Kunkel und fährt fort: „Dadurch kam es zu massiven Engpässen. Hier zahlte sich unter anderem unsere gut aufgestellte Sterilherstellung aus, mit der wir bestimmte Infusionen für unsere Intensivstationen standardmäßig selbst herstellen. Im Großen und Ganzen waren wir auch in diesen schwierigen Zeiten zum Glück immer Herr der Lage.“
Neben der Medikamentenversorgung erfüllt die Klinikapotheke des UKW viele weitere Aufgaben. Beispielsweise betreibt sie seit 2003 eine von drei Arzneimittelinformationsstellen der Bayerischen Landesapothekerkammer im Freistaat.
Die Informationsstellen beantworten den Apotheker*innen Fragen rund um die klinisch-pharmazeutische Praxis sowie zur Arzneimitteltherapie, die mit der in den öffentlichen Apotheken vorhandenen Literatur und EDV nicht geklärt werden können.
Zukunftspläne für Gebäude und Logistik
Für die zukünftige Entwicklung der Klinikapotheke hat Dr. Kunkel schon eine ganze Reihe von Plänen auf dem Tisch. So laufen nach ihren Worten intensive Planungen für ein neues Gebäude in Modulbauweise. Dort sollen die bislang an zwei Standorten untergebrachten Abteilungen für die aseptische und patientenindividuelle Zubereitung von Zytostatika und Ernährungslösungen zusammengeführt und dabei auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden.
„Was die Arzneimittellogistik angeht, wollen wir in der Zukunft ein sogenanntes Unit-Dose-System einführen“, kündigt die Apotheken-Chefin an. Darunter versteht man ein Konzept, bei dem auch Tabletten und Kapseln maschinell in der Klinikapotheke patientenindividuell zusammengestellt, in kleine durchsichtige Tütchen verpackt, mit den wichtigsten Informationen für den Patienten versehen und anschließend direkt an die Stationen geliefert werden. Diese Verfahren verspricht eine weitere Verbesserung in der Arzneimitteltherapiesicherheit.