Tierische Türöffnerin

Therapiebegleithündin Liesl steht Menschen in schwierigen Lebenslagen zur Seite

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©Lebenslinie/Sabine Trost

Mit großen Augen sieht sie mich an. Liesl, so scheint es, weiß genau, worum es gerade geht. Sie ist schließlich „im Dienst“. Ich selbst bin noch etwas unschlüssig, wie wir die vor uns liegende Übung bewältigen sollen. Ihr Frauchen, Sozialpädagogin Helena Heinrich, vom sozialpädagogischen Dienst des Zentrums für Seelische Gesundheit in Würzburg (ZSG), bat mich, die vierjährige italienische Wasserhündin (Lagotto Romagnolo) ohne verbale Kommandos um leuchtend gelbe Hütchen zu manövrieren. Aufmerksam verfolgt Liesl meine Hand- und Körperbewegungen. Schnell wird klar: Ich muss präzise sein, damit sie versteht, was ich möchte. Binnen kurzer Zeit entwickeln wir einen Draht zueinander. Es klappt! Liesl ist Profi. Die ausgebildete Therapiebegleithündin kommt seit Jahren zweimal pro Woche in die Einrichtung. Nachdem sich Frauchen Helena Heinrich mit den hiesigen Therapeutinnen und Therapeuten ausgetauscht hat, ist sie am Zug, um Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen eine „Türöffnerin“ zu sein. „Sie ist eine sensible Hündin, gleichzeitig sehr aufmerksam und aufgeschlossen, sehr quirlig und sie hat immer viel Spaß am Arbeiten“, beschreibt Helena Heinrich ihr Wesen. „In herausfordernden Umgebungen bleibt sie ruhig und kann auch nach der Arbeit schnell zur Ruhe kommen.“ Liesl trifft während ihrer Tätigkeit auf Patientinnen und Patienten ab 18 Jahren. „Das sind etwa Menschen mit Borderline- oder affektiven Störungen, Schizophrenie, Depressionen bis hin zu Demenz“, zählt Helena Heinrich die Krankheitsbilder auf. Generelle Grenzen würden lediglich Allergien, unkontrollierbare Verhaltensweisen oder Angst vor Hunden setzen. Die Rolle von Hunden bei der seelischen Genesung sei ihrer Ansicht nach nicht zu unterschätzen. „Sie bieten bedingungslose Zuneigung, Rituale und Struktur im Alltag.“ Außerdem würden sie Stresshormone reduzieren, die soziale Interaktion fördern, gäben Halt und ein Gefühl von Sicherheit. „Kontakte mit Hunden können beruhigend wirken“, so Heinrich. „Der Kontakt lässt das Bindungshormon Oxytocin steigen. Außerdem sind die Patientinnen und Patienten abgelenkt.“ Die Vierbeiner können aber noch mehr: „Hunde motivieren zu regelmäßigen Aktivitäten wie Spazierengehen oder Training, was positive Routinen unterstützt.“ Zudem würden sie zu emotionaler Entlastung beitragen, indem sie Nähe, Trost und Präsenz schenken ohne Urteile zu fällen. Darüber hinaus würden sie Achtsamkeit und Gegenwärtigkeit fördern, da sich auf die Bedürfnisse des Tieres konzentriert wird. Im Arbeitsumfeld von Helena Heinrich geht es vor allem darum, Vertrauen aufzubauen, Ängste zu verringern und soziale Kompetenzen zu stärken. „Ein Hund darf jedoch nie allein eingesetzt werden“, betont sie. „Es soll keine reine Kuschelstunde sein, sondern immer eine gezielte Aktivität respektive Intervention, die vor- und nachbesprochen wird.“ Letztlich gehe es darum, dass der Mensch erkennt, was die Situation gerade mit ihm oder ihr macht und verbessert. Und das könne alles sein, von einer helleren Stimmung über eine bessere Motorik oder geringerem Schmerzempfinden bis hin zur Sinnstiftung. Liesl ist sowohl ein „Icebreaker“ als auch ein Wesen, das tiefgreifende Veränderungen bewirken kann. Für mich ist sie vor allem eines: eine echte „Happyness-Managerin“.

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