Willkommen an Bord!?

Schiffsarzt Dr. Christian Ottomann über Anforderungen eines Berufs im Offshore-Bereich maritimer Medizin

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Ein Schiffsarzt müsse Erfahrungen mit maritimer Medizin haben, so der CEO der Schiffsarztbörse in Lübeck, Dr. Ottomann. Daher habe die DGMM eigene Fortbildungen hierfür entwickelt: „Nicht nur maritime Besonderheiten wie beispielsweise ein Norovirus-Ausbruch an Bord und damit verbundene Quarantäne-Maßnahmen, sondern auch das Wissen, um Evakuierungsmöglichkeiten bei einem schweren Zwischenfall, erfordern von den Medizinern seetaugliche Zusatzqualifikationen.“ Foto: Dr. Ottomann, Schiffsarztbörse Lübeck

Der Kreuzfahrttourismus ist derzeit einer der größten Wachstumsmärkte, bestätigt der internationale Kreuzfahrtverband Cruise Lines International Association (CLIA). Während 2006 rund zehn Millionen Menschen weltweit Urlaub auf hoher See machten, registrierten die Kreuzfahrtanbieter 2016 rund 24 Millionen Passagiere – Tendenz steigend.

Jeder Dritte Deutsche könne sich vorstellen in den nächsten fünf Jahren eine Kreuzfahrt zu buchen. Eines der größten Kreuzfahrtschiffe, die „Oasis of the Sea“, hat die Möglichkeit 5400 Passagiere und 2500 Crewmitglieder zu befördern. Mit der stetig wachsenden Anzahl von Passagieren, steigt auch der Bedarf an medizinischer Versorgung auf See.

Demgegenüber stehe der akute Mangel an qualifizierten Schiffsärzten, um Bordhospitäler zu besetzen, sagt der CEO der Schiffsarztbörse in Lübeck, Dr. Christian Ottomann. Im Gespräch mit dem Gesundheitsmagazin „Lebenslinie“ verrät er, was maritime Medizin ausmacht, welche Qualifikationen man als Schiffsarzt mitbringen müsse und ob Seekrankrankheit heute noch ein Thema ist.

Lebenslinie (LL): Das Kreuzfahrtbusiness boomt. Um die medizinische Sicherheit an Bord gewährleisten zu können, gibt es den Schiffsarzt. Ab wie vielen Personen an Bord müssen wie viele Ärzte mitfahren?
Dr. Christian Ottomann (CO): Für die medizinische Versorgung ist ein ganzes medizinisches Team verantwortlich. Dieses besteht aus zwei Krankenschwestern und zwei Schiffsärzten. Laut International Maritime Organization (IMO) muss ab 100 Mann Besatzung ein Schiffsarzt an Bord sein.

LL: Welche Ausbildung hat ein Schiffsarzt?
CO: Für die ärztliche Tätigkeit auf Kreuzfahrtschiffen gibt es keine einheitlichen oder international bindenden Vorschriften in Bezug auf die Ausbildung. Die Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin e.V. (DGMM) hält jedoch Empfehlungen zur Qualifikation von Schiffsärzten bereit. Neben der Approbation und einer Fachgebietsanerkennung sind routinierte Kenntnisse in Notfallmedizin Voraussetzung. Zugangsvoraussetzungen sind auch Sonografiekenntnisse, die Fachkunde Strahlenschutz, fließende Englischkenntnisse sowie eine deutsche oder internationale Seediensttauglichkeitsbescheinigung.

LL: Wie viele Schiffsärzte haben Sie in Ihrer Datenbank und aus welchen Disziplinen kommen diese?
CO: Schiffsärzte haben zumeist eine Fachgebietsanerkennung in den Fächern Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Chirurgie oder Innere Medizin. Hinsichtlich des Fachgebietes können Ausnahmen gemacht werden, wenn eine ausreichende allgemeinmedizinische Tätigkeit nachgewiesen werden kann, da 75 Prozent aller medizinischen Vorkommnisse an Bord allgemeinmedizinischer Natur sind. Bei der Schiffsarztbörse sind rund 2000 Ärzte registriert, von denen aber nur zirka 200 die geforderte Qualifikation erfüllen und ausreichend Zeit für die Tätigkeit auf See haben. Wir vermitteln hauptsächlich Schiffsärzte an TUI Cruises und Aida, insgesamt fehlen uns Schiffsärzte, so dass wir nicht alle Slots besetzen können.

LL: Die meisten Ärzte sind ja wahrscheinlich nicht hauptberuflich, sondern „nebenbei“ Schiffsarzt? Wie funktioniert das organisatorisch?
CO: Das ist der Grund für den Schiffsarztmangel. Die Einsatzzeiten auf See sind acht bis zehn Wochen… jüngere Kollegen können aufgrund der beruflichen und familiären Situation meist nicht so lange weg und ältere Kollegen, die die Zeit hätten oder sich diese nehmen könnten, scheitern oftmals an den an Bord notwendigen Englisch- und EDV-Kenntnissen.

LL: Gibt es eigene Prüfungen/Fortbildungen für den Schiffsarzt?
CO:
Da die Schiffe unter ganz unterschiedlichen Flaggen fahren, ist eine internationale Einigung, welche Qualifikation ein Schiffsarzt braucht, nicht in Sicht. Für deutsche Schiffsärzte hat die DGMM Empfehlungen erarbeitet, die sich in dem Kursangebot der Schiffsarztbörse widerspiegeln. Generell kann jeder Kollege Schiffsarzt werden, der die Seediensttauglichkeitsuntersuchung besteht.

LL: Was ist ihre Aufgabe als CEO der Schiffsarztbörse?
CO:
Meine Aufgabe ist hauptsächlich die Organisation des Kursangebotes, welches sich aus dem Kompaktkurs Maritime Medizin und der Winterschool Cruisemedicin zusammensetzt. Der Kompaktkurs bereitet auf die Tätigkeit an Bord vor und die Winterschool ist ein Kongress, bei dem sich erfahrene Schiffsärzte einmal jährlich über das Leben an Bord und besondere Kasuistiken austauschen. Daneben trage ich die Verantwortung, dass Schiffsärzte und Reeder 24 Stunden an 365 Tagen einen Ansprechpartner haben. Manchmal erkrankt ein Schiffsarzt an Bord, so dass wir innerhalb kürzester Zeit Ersatz akquirieren müssen, damit das Schiff, wie geplant, auslaufen kann.

LL: Stichwort „gesund an Bord“: Ist bei den modernen Kreuzfahrtschiffen Seekrankheit noch ein Thema?
CO:
Moderne Kreuzfahrtschiffe haben ausfahrbare Stabilisatoren im Rumpf, die das Schiff stabilisieren. Der Symptomenkomplex Seekrankheit gerät daher immer mehr in den Hintergrund und stellt kein wirkliches Problem auf Kreuzfahrtschiffen dar.

LL: Welche Aufgaben hat ein Schiffsarzt auf einem Kreuzfahrtschiff?
CO:
Der Aufgabenbereich ist abhängig von den Passagieren und der Schiffsgröße: Mit zunehmend älteren und trotzdem agilen Passagieren steigt die Wahrscheinlichkeit eines schweren medizinischen Zwischenfalls wie etwas eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls an Bord. Der Altersdurchschnitt der Passagiere auf Flusskreuzfahrtschiffen liegt bei 65 Jahren.

LL: Wenn jetzt ein Patient einen Herzinfarkt oder Schlaganfall an Bord erleidet, wie ist das Prozedere?
CO:
Die Erstversorgung entspricht der Notfallversorgung an Land. Auch an Bord gibt es ein Rendezvoussystem: Abhängig davon, wo sich der Schiffsarzt gerade auf dem Schiff befindet, eilt sowohl der Schiffsarzt als auch eine Krankenschwester mit Intensivmedizinerfahrung und Routine in erster Hilfe zu dem Zwischenfall. Nach der Stabilisierung des betroffenen Passagiers wird dieser ins Bordhospital gebracht, wo weitere Diagnostik erfolgt. Je nach Schwere der Erkrankung, wird dann über eine möglicherweise notwendige Disembarkation des Passagiers entschieden. In der Regel sollte man sich jedoch nicht so viele Gedanken über einen medizinischen Zwischenfall an Bord machen, sondern seine Reise genießen. Immer in dem Wissen, dass, wenn „Not am Mann“ ist, ein qualifizierter Mediziner Gewähr bei Fuß steht.

Das Interview mit Dr. Christian Ottomann, CEO der Schiffsarztbörse in Lübeck, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

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