„Wer heilt, hat Recht!“

Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer und Tochter Friederike brechen eine Lanze für Naturmedizin

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Foto: Prof. Dr. Grönemeyer und Tochter ©Sascha Reichert

„Vorbei sind die Zeiten, wo man die Verfechter der Kräutermedizin für wunderliche Öko-Apostel hielt“, schreiben der Begründer der Mikrotherapie Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer und seine Tochter Friederike, Heilpraktikerin und Psychologin, in ihrem gemeinsamen Buch „Selbst Heilen mit Kräutern“. Pflanzenheilkunde wurde in Deutschland spätestens 1994 aus dem Schattendasein geholt, als die Kommission E, ein Sachverständigenrat des Bundesgesundheitsamtes, etwa 250 Heilpflanzen die Wirksamkeit bestätigte. Seit Anfang 2012 haben Gesetzliche Krankenkassen die Möglichkeit, Phytopharmaka in gewissem Umfang zu erstatten.

Lebenslinie (LL): Wird die oft technisch ausgerichtete Medizin, die an den Hochschulen gelehrt wird, dem Menschen noch gerecht?
Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer (DG): „Für mich als Schulmediziner ist das keine Frage. Was wir dem schulmedizinischen Fortschritt verdanken, kann man nicht hoch genug schätzen. Epidemien wurden besiegt. Krankheiten, die früher zum Tode führten, sind heute heilbar, wie die Tuberkulose oder das Kindbettfieber, Pest, Pocken und andere mehr. Organe bis zum Herz, Haut oder Zellen können wir verpflanzen. Moderne Diagnoseverfahren, vom Röntgen bis zum MRT, eröffnen uns den Blick in das Körperinnere und damit eine sehr genaue Diagnose sowie die Früherkennung drohender Krankheiten. Das alles haben wir der Schulmedizin, nicht der Naturheilkunde, zu verdanken. Andererseits haben wir, fixiert auf den naturwissenschaftlichen Fortschritt, allzu oft Wesentliches aus den Augen verloren. Ich meine die Kraft der Pflanzen in der Ernährung genauso wie zur Behandlung von Volkskrankheiten in der Frühphase. Auch die Tatsache, dass Körper, Seele und Geist eine Einheit bilden, rutschte uns Ärzten mehr und mehr aus dem Blick. Nur wenn wir uns auf jeden Patienten individuell einlassen und Erkrankungen früh erkennen, lassen sich die besten Behandlungserfolge erzielen, zunächst mit Hausmitteln und traditionellen Heilweisen. Insofern mag es schon sein, dass akademische Medizin dem Menschen nicht immer gerecht wird. Die Regel ist das aber keineswegs.“

LL: Warum ist es wichtig, auch traditionelle Heilverfahren zu berücksichtigen?
DG: „Weil sie in vielen Fällen, zumal bei leichteren Erkrankungen oder additiv zu schulmedizinischen Behandlungskonzepten, hilfreich sind und meist schonender für den Patienten. Meine Behandlungsdevise ist „von leicht nach schwer“, also immer mit dem am wenigsten Belastenden anfangen. Niemand kann in der Heilkunst den Anspruch erheben, über das allein selig machende Wissen zu verfügen. Alle Therapeuten sind angehalten, voneinander zu lernen. Mein Credo lautet: Wer wirklich heilt, hat Recht.“

LL: Welchen Erkrankungen würden Sie selbst mit Heilpflanzen begegnen?
DG: „Husten und Schnupfen mit Salbei, Thymian, Pfefferminze oder Senfölen. Fieber mit Wadenwickeln und Arzneien mit Weidenrinde oder Mädesüß, Übelkeit mit Ingwer und Heilerde, Völlegefühl, Blähungen oder Bauchschmerzen mit Kümmel, Kurkuma, Kamille oder Melisse, Hautentzündungen mit Aloe Vera oder Kamille, leichte Infekte mit Sonnenhut, bei Harnreizungen mit Kapuzinerkresse. Bei meinem Spezialgebiet Rücken sind Heilkräuter auch lokal einsetzbar. Etwa Johanniskraut zur Muskeltiefenentspannung – zum Beispiel gemischt als Rückenbalsam mit Weidenrinde, Chili und Senf oder Rosmarin (als Badeöl zur Durchblutungssteigerung), sowie Kurkuma innerlich als Ersatz für leichte Schmerzmittel.“

LL: Welche Heilpflanzen würden Sie zur Immunstärkung empfehlen?
DG: „Schon mit den Gewürzen, die wir dem Essen beigeben, können wir für eine gesunde Verdauung und die Stärkung unseres Immunsystems sorgen. Kümmel zum Beispiel tut dem Darm ausgesprochen gut. Extrakte der verschiedenen Kresse- und Rettichsorten, Senf oder Knoblauch wirken antibiotisch.“

LL: Was wäre wünschenswert für die Medizin von morgen?
DG: „Dass sie sich nicht auf diese oder jene Schule versteift, sondern alles nutzt, was dem Patienten hilft. Gleich, ob es sich um naturheilkundliche, alternative, psychologische Verfahren oder die neuesten Methoden der Hightech- Medizin handelt. Die Menschen haben einen Anspruch darauf!“

Hochwirksame Pflanzen
Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer, prominenter Verfechter einer wissenschaftlich begründeten ganzheitlichen Weltmedizin zwischen Hightech und Naturheilkunde sowie Gründer des Grönemeyer Instituts für Mikrotherapie Bochum, zeigt in diesem anwenderfreundlichen Standardwerk gemeinsam mit seiner Tochter Friederike, wie man Heilkräuter zu Hause selbst richtig einsetzt. Das Buch konzentriert sich auf Heilkräuter, die besonders wirksam, gut erforscht und von nationalen und internationalen Kommissionen und Institutionen wie der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschrieben und empfohlen werden oder in medizinische Leitlinien aufgenommen wurden. Die beiden Autoren plädieren besonders dann für den Einsatz von Heilpflanzen, wenn es um Vor- und Nachsorge sowie Therapiebegleitung geht. Naturmedizin soll hier nicht Schulmedizin ersetzen, sondern den Heilungsprozess unterstützen gegebenenfalls die Medikamentengabe sinnvoll eindämmen oder präventiv genutzt werden. red

Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer und Friederike Grönemeyer: Selbst heilen mit Kräutern. Pflanzenheilkunde für zu Hause. Becker Joest Volk Verlag Hilden, 2019, ISBN 978-3-95453 163-9, Preis: 29,95 Euro, www.bjvv.de

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