Volles Korn voraus

Am 5. Mai ist „Tag des Deutschen Brotes“: Ernährungswissenschaftler Markus Keller und Biobäckermeister Roland Postler über ein Grundnahrungsmittel

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Alle Getreidearten, besonders Pseudogetreide wie Quinoa, aber auch Hirse, Vollkornhafer, Roggen, Grünkern und Dinkel sind wichtige Lieferanten für Eisen. Foto: ©depositphotos.com/@grafvision

Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. ist die hiesige Brotkultur „weltweit einzigartig“. Insgesamt gebe es rund 3.100 eingetragene deutsche Brotsorten¹. Doch Brot ist nicht gleich Brot, mahnt der Diplom-Oecotrophologe.

„Ballaststoffe sowie viele Vitamine und Mineralstoffe sind bevorzugt in den Randschichten sowie im Keim des Getreides lokalisiert. Diese wertvollen Bestandteile werden bei der Herstellung von Weißmehl entfernt, womit sich der ernährungsphysiologische Wert verringert.“ So seien in einem Weizenweißmehlbrot im Vergleich zu einem Weizenvollkornbrot nur noch 40 Prozent des Magnesiums, 36 Prozent der Ballaststoffe und 35 Prozent des Eisens enthalten. „Vollkornprodukte sind ein wichtiger Bestandteil einer vollwertigen Ernährung“, sagt Prof. Dr. Markus Keller, Leiter des Studiengangs Vegan Food Management an der privaten Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Köln.

Gesundheitsfördernd seien ihm zufolge vor allem die Ballaststoffe aus dem Getreide. „Studien zeigen, dass ein höherer Verzehr von Vollkornprodukten den Blutzucker normalisiert, den Blutdruck senkt und die Blutfette günstig beeinflusst. Besonders das lösliche β-Glucan, ein Ballaststoff, der in Hafer und Gerste vorkommt, senkt den Gesamt- und LDL-Cholesterinspiegel“, so der Experte.
Zudem sei der Verzehr von Vollkornprodukten mit einem niedrigeren Risiko für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Dickdarmkrebs verbunden.

„Interessanterweise ist die antioxidative Kapazität des vollen Korns im Durchschnitt sogar höher als die von Gemüse und Obst“, so der Ernährungswissenschaftler. Antioxidantien hätten viele positive Gesundheitseffekte: „Sie wirken unter anderem antientzündlich und krebsvorbeugend,
fördern die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen und senken das Atherosklerose-Risiko.“
Die populäre These vom „Dickmacher Brot“ stimme nach Ansicht des Wissenschaftlers nicht: „Im Überfluss kann jedes energieliefernde Lebensmittel dick machen. Wichtig ist, dass die Energiebilanz, also das Verhältnis von Energiezufuhr und Energieverbrauch, ausgeglichen ist.“

Auch hier punkte Vollkornbrot, denn es habe eine höhere Nährstoffdichte, enthalte also mehr Vitamine und Mineralstoffe bezogen auf die enthaltene Nahrungsenergie als Weißbrot. Zudem hätten die vorhandenen Ballaststoffe eine hohe Sättigungswirkung und würden sich positiv auf die Körpergewichtsregulation auswirken. Und welche Rolle spielt Brot im Rahmen einer vegetarischen oder gar veganen Ernährung? „Hier spielen Getreide und Getreideprodukte sowohl als Kohlenhydratals auch als Proteinlieferanten eine größere Rolle als bei Nicht-Vegetariern. Was viele nicht wissen: Nicht Fleisch oder Fisch, sondern Getreide ist global gesehen die wichtigste Proteinquelle des Menschen“, sagt der weltweit erste Professor für Vegane Ernährung. Auch als Eisen- und Zinkquelle seien Vollkornprodukte wichtig – nicht nur für Veganer.

Auch für den Bamberger Bäckermeister Roland Postler ist Brot mehr nur ein Sattmacher: „Brot besitzt in vielen Kulturen Bedeutung und Symbolkraft. Es ist das Produkt aus lebendigem Korn sowie Sonne, Erde, Feuer, Wasser und menschlicher Arbeit. Brot ist ein Grundnahrungsmittel und sollte von jedem Menschen auf der Welt genossen werden können.“ Postler hat seinen Betrieb „aus persönlicher Überzeugung“ auf Bio-Produkte umgestellt. „Für mich sind ökologische Produkte oder Nachhaltigkeit nicht zeitlich begrenzte Trends, sondern weitreichende Entwicklungen und kulturelle Bewegungen.“ Die Rohstoffe und Zutaten für seine Brote wählt er mit Bedacht aus: „Es braucht nicht viel, um ein gutes Brot herzustellen.“

Das Wichtigste sei frischgemahlenes Mehl aus der hauseigenen Getreidemühle sowie belebtes Wasser, dazu „Handwerk und Liebe“. Das Getreide für seine Bio-Bäckerei bezieht er von regionalen Landwirten aus Oberfranken und ist ausschließlich Bio-zertifiziert. Ziel sei es, langfristige und nachhaltige Lieferantenbeziehungen zu führen. „Wir verwenden ausschließlich natürliche Rohstoffe und verzichten auf künstliche Konservierungsstoffe oder Backtriebmittel.“

Große Produktionslinien oder Maschinen, die die Handarbeit ersetzen, gebe es nicht – stattdessen werde die ganze Nacht gebacken. Insgesamt stellt der Bäckermeister in seiner Backstube 30 verschiedene Brote, darunter 25 verschiedene Vollkornbrote, wie Roggen fein, Dinkelsaatenbrot oder Kürbiskernbrot her. Außerdem gibt es Spezial-Vollkornbrote wie Haferbrot, Dinkel-Kartoffelbrot, Emmerbrot oder Pamina Herzbrot, diese würden wegen des großen Backaufwandes jedoch nur an speziellen Tagen angeboten.

Wie gern die Deutschen Brot essen, zeigt sich im jährlichen Verbrauch. Lag dieser im Jahr 2018 noch bei über 56 Kilogramm pro Haushalt, wird für 2020 bereits mit 60 Kilogramm pro Haushalt und Jahr gerechnet². „Die Gründe liegen in der neuen Ausrichtung der Menschen“, versucht Roland Postler eine Erklärung dieses positiven Trends. „Wir gehen weg vom Globalen hin zurück zum Regionalen, zumindest bei Lebensmitteln. Viele Menschen bemerken langsam, wie wichtig gesunde, abwechslungsreiche und vor allem regionale Ernährung ist. Aber wir stehen immer noch am Anfang eines neuen, bewussten Konsums.“

Quellen: ¹www.presseportal.de/pm/42829/4398972, ²de.statista.com/outlook/40050100/137/brot/deutschland

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