„Das Recht der Verbraucher auf umfassende und korrekte Informationen über ihre Lebensmittel hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, da das Interesse an Gesundheit und Wohlbefinden, Nachhaltigkeit und Transparenz gestiegen ist“, sagt der Europäische Rechnungshof. Zugleich hätten sich aber Vermarktungspraktiken weiterentwickelt, und die Auswahl an Lebensmitteln habe zugenommen. Ende 2024 stellte der Rechnungshof seinen Sonderbericht über die Lebensmittelkennzeichnung in der EU vor. In dem 65 Seiten starken Papier wurde untersucht, ob die Kennzeichnung den Verbraucherinnen und Verbrauchern dabei hilft, beim Kauf von Lebensmitteln fundierte Entscheidungen zu treffen. Das komplexe Kennzeichnungssystem, das sowohl verbindliche als auch freiwillige Angaben umfasst, gesundheitliche Aspekte und Informationen zur Nachhaltigkeit einschließt, greife auch auf eine Vielzahl verschiedener Regelungen und Labels zurück. Der Dschungel sei für die Konsumierenden nicht leicht zu durchschauen bei etwa 200 Öko-Labels in Europa. Das Fazit fiel ernüchternd aus: „Anstatt Klarheit zu schaffen, schaffen Lebensmittel-Etiketten oft Verwirrung; es gibt hunderte verschiedene Kennzeichnungssysteme, Labels und Werbeversprechen, die die Käufer entschlüsseln müssen“, so Keit Pentus-Rosimannus, ein für die Prüfung zuständiges Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. „Die Unternehmen legen bei den Angaben auf den Verpackungen große Kreativität an den Tag. Die EU-Vorschriften halten mit dem sich ständig entwickelnden Markt jedoch nicht Schritt, sodass rund 450 Millionen Menschen in Europa vorsätzlich oder unbeabsichtigt irreführenden Botschaften ausgesetzt sind.“ Tatsächlich, so der Prüfer, könnten die lückenhaften EU-Rechtsvorschriften der Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher sogar Vorschub leisten. Besonders bitter: Die Aufklärung scheine, wie Pentus-Rosimannus feststellte, trotz dieser Kritik keine hohe Dringlichkeit zu besitzen. Die EU habe zwischen 2021 und 2025 rund 5,5 Millionen Euro für Sensibilisierungskampagnen zur Lebensmittelkennzeichnung zur Verfügung gestellt, die EU-Länder hätten solche Kampagnen aber nur sporadisch durchgeführt. Und zu guter Letzt hätten verhängte Bußgelder am Ende kaum eine abschreckende Wirkung.
Der Sonderbericht 2023/2024 „Lebensmittelkennzeichnung in der EU: Verbraucherinnen und Verbraucher können vor lauter Informationen den Überblick verlieren“ ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofes unter www.eca.europa.eu/de/publications/sr-2024-23 abrufbar.