Vom Rockolymp herabgestiegen erzählt der einstige Berufsmusiker in „Kittel, Keime, Katastrophen“ von seinem Klinikalltag als Arzt. Er sieht nicht nur anders aus als andere Mediziner, er ist auch anders – kein Halbgott in Weiß, sondern ein Mediziner zum Anfassen, dem nicht Menschliches fremd ist.
Ein guter Arzt, so Doc Esser, könne mit jedem Patienten schwingen, ihn da abholen, wo er abgeholt werden müsse, und ihn so lange sichern, wie der Kranke es benötige. „Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen, wann Leben geil ist und wann nicht.“ Es gehe nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität. Wenn einer bis 60 hervorragend gelebt habe und dann abdanke, sei das deutlich besser als 80 zu werden und nie gelebt zu haben! Man müsse sich nur irgendwann entscheiden: „Der menschliche Körper ist zwar extrem zäh, hat aber auch ein Ablaufdatum, was je nach Pflege und Wartung mal früher oder mal später datiert ist“, so der Notfallmediziner mit eigener Sprechstunde im WDR.
„Der chronische Schmerz ist ein Schwein. Und zwar ein richtig blödes“, meint Esser und erzählt von eigenen Erfahrungen bei mehrfachen Rippenbrüchen mit verschiedenen Opioiden. Ein kranker Arzt ist halt auch nur ein Mensch! Der humorvolle und meist respektlose Blick hinter die Kulissen des Medizineralltags will so gar nicht den Krankenhaus-Soaps mit Clooney & Co gleichen. Es gelingt dem Lungenfacharzt, den Klinikalltag zu entmystifizieren und dabei die drängendsten Fragen, die den meisten Patienten auf dem Herzen liegen, zu beantworten.
Sein Buch ist aber auch ein Plädoyer für mehr Verständnis auf beiden Seiten der Liege respektive auf der vertikalen auch so- wie auf der horizontalen Ebene. Denn sowohl Ärzte als auch Patienten sind Leidtragende eines Systems, das an vielen Ecken und Enden krankt.
Dr. Heinz-Wilhelm Esser: Kittel, Keime, Katastrophen. Wie Sie einen Krankenhaus- aufenthalt überleben. Becker Joest Volk Verlag, Hilden 2018, Illustrationen Patrick Rosche, ISBN 978-3-95453-150-9, Preis 19,95 Euro, www.bjvv.de