Über Steine, die im Weg liegen …

Lebenslinie im Gespräch mit Gastroenterologen PD Dr. André Ignee

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„Da kommt mir doch die Galle hoch“ oder „Gift und Galle spucken“, beides sind gängige Redewendungen aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, die Trübsal, Wut und Ärger signalisieren. Lebenslinie hat sich mit dem Gastroenterologen, PD Dr. André Ignee, über die Galle unterhalten und nebenbei erkundet, ob sich diese Aussprüche medizinisch untermauern lassen. Zur Zeit der Viersäfte-Lehre (Humoralpathologie) im 17. Jahrhundert brachte man die „Melancholie“, griechisch die „Schwarzgalligkeit“¹, durchaus mit einem versperrten Gallengang etwa durch Steine und so einem Stau der Körpersäfte, die nicht mehr ungehindert fließen konnten, in Verbindung.

400 Jahre später sagt der neue Chefarzt der Gastroenterologie, der seit Anfang dieses Jahres im Juliusspital (Klinikum Würzburg Mitte) Dienst tut, dass er nicht glaube, dass man sich Gallensteine „anärgern“ kann! Der 49-Jährige ist eher der Typ, der aus Steinen, die im „Weg“ liegen, Heilprozesse anstößt. In höchsten Tönen schwärmt der Facharzt für Innere Medizin, der zuvor als Sektionsleiter der Gastroenterologie am Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim tätig war, von schwarz-gelb melierten Gallengangsteinen, die bei Patient:innen entfernt worden sind. Nach neuestem Stand der Wissenschaft seien nicht Ärgernisse, sondern eher die „sechs Fs“ Auslöser für Gallensteine, die da wären: fat (Adipositas), female (weibliches Geschlecht), fair (heller Hauttyp), fourty (über 40 Jahre), fertile (schwanger) oder family (familäre Disposition). Eingriffe an der Galle zählen zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Mehr als 190.000 Frauen und Männer wurden 2020 an diesem Organ operiert. Der Grund sind meist Gallensteine. Gallensteine entstehen, wenn sich in der Gallenflüssigkeit Klumpen aus nicht wasserlöslichen Stoffen bilden. Dabei handelt es ich in der Regel um Cholesterin als Urheber für die Steinbildung.

„Etwa jede:r Vierte, die:der 40 Jahre und älter ist, hat Gallensteine. Die meisten dümpeln in der Gallenblase vor sich hin und machen keinen Ärger.“ Erst wenn sie sich auf den Weg in den Gallengang begeben und dort den Weg versperren, ist es ein Fall für Dr. Ignee, der mit endoskopischem Ultraschall, die genaue Position der Steine ermitteln kann. Ebenso ob etwa ein Bauspeicheldrüsenkrebs vorliegt, der mit ähnlichen Symptomen vergesellschaftet sein kann. Bei krampfartigen Schmerzen im rechten bis mittleren Oberbauch (Koliken) können Gallenblasensteine, das Sujet von Chirurg:innen, oder Gallengangsteine, das Metier von Gastroenterolog:innen, der Auslöser sein. Um Gallenblasensteine zu therapieren, werde meist die Gallenblase entfernt, ohne die man gut leben könne, so Dr. Ignee. Bei Gallengangsteinen sei das Vorgehen etwas diffiziler: „Hier wird mittels Gallengang-Spiegelung mit dem Endoskop (ERCP) mit heißem Draht ein kleiner Schnitt am Gallenausgang gemacht und mittels Korb- oder Ballonkatheter der Stein herausgefischt“, so der Mediziner.

Bei Gallengangsteinen komme als Symptom meist noch zu den Schmerzen im Oberbauch eine Gelbfärbung der Haut und/oder der Augen (Gelbsucht)², hinzu. Die Diagnostik im Vorfeld sei bei Gallensteinen die wichtigste Aufgabe, so André Ignee. Zum einen, um Ausschlussdiagnostik zu betreiben (Abgrenzung Bauchspeicheldrüsenkrebs) und zum anderen, um eindeutig Fachgebiet und Vorgehensweise zur Entfernung festlegen zu können. Das sei wichtig, um den Patient:innen eine schnelle Genesung zu ermöglichen und etwaige Komplikationen zu vermeiden … damit niemandem am Ende des Tages doch noch die Galle hochkommt!

Quellen:
¹Griechisch „melas“ übersetzt heißt „schwarz“ und „cholé „die Galle“.,
²Eine Gelbsucht kann entstehen, wenn Steine im Gallengang den Abfluss von Gallenflüssigkeit blockieren und der in der Leber gebildete Gallenfarbstoff (Bilirubin) nicht mehr ungehindert abfließen kann. Als Folge steigt die Menge an gelbem Bilirubin im Blut und bewirkt die Gelbfärbung von Haut und Augen.

Das Interview mit PD Dr. André Ignee, Chefarzt der Gastroenterologie und Rheumatologie im Juliusspital (KWM), führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

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