Status Quo: Mangellage

Apotheker Dr. Michael Sax über Lieferengpässe bei Arzneimitteln

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©Stefan Mahler

Eine Ära geht zu Ende! Apotheker Dr. Helmut Strohmeier und Uschi Strohmeier treten den wohlverdienten Ruhestand an und geben den Stab weiter an Dr. Michael Sax und Tina Sax, die ab 1. Januar neben der Stern Apotheke in Grombühl auch die Theater Apotheke leiten. „Ja, ich schaue noch jung aus“, meint Helmut Strohmeier augenzwinkernd, „aber ich habe das Rentenalter erreicht. Mir macht die Pharmazie immer noch Spaß und ich arbeite auch gern noch ein wenig mit. Ich bin aber sehr froh, dass ich mit Michael Sax einen jüngeren Kollegen gefunden habe, der dieselbe Philosophie wie ich hat, nämlich für unsere Patientinnen und Patienten da zu sein und sie ordentlich zu versorgen – trotz aller Widrigkeiten wie etwa dem Dauerproblem Lieferengpässe bei Arzneimitteln.“  Über genau dieses Thema wollen wir mit Dr. Sax in seinem ersten Interview in der Lebenslinie sprechen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) dokumentiert eine Nichtverfügbarkeit von Arzneien in etwa 20 Millionen Fällen pro Jahr haben. Sind Lieferengpässe bei Arzneimitteln hierzulande inzwischen ein Dauerproblem? Dr. Sax: „Ja, definitiv. Das ist kein Problem, das es erst seit gestern gibt. Lange vor der Pandemie mussten die Apotheken oft Klimmzüge machen, um an Ware zu kommen oder Alternativen zu finden.“ Es vergehe kein Tag ohne dokumentierte Nichtverfügbarkeit von Arzneien. Zugespitzt habe sich die Problematik seit der Pandemie, als etwa der Hafen in Shanghai wochenlang dicht war und die Asien-Importe ihrer Arzneien nicht verschifft werden konnten. Die häufige Auslagerung der Medikamenten-Herstellung in Billigproduktionsländer wie China und Indien sei vor allem im Generika-Markt einer der vornehmlichen Gründe für Lieferengpässe. „Und die Oligopolisierung etwa bei gängigen Schmerzmitteln mit weltweit nur noch zwei Herstellern. Wenn da einer ausfällt, wie kürzlich, als ein Produktionswerk gebrannt hat, fehlt der halben Welt Ibuprofen“, erklärt Dr. Sax. Die Rabattverträge der Krankenkassen täten ihr Übriges. Die Lösung wäre eine Rückverlagerung der Arzneimittel-Produktion zumindest nach Europa. Das brauche aber politischen Willen und mindestens zehn Jahre für die Ausführung, so Sax. So viel zur Theorie. Wie sieht der Umgang der Apotheken mit Lieferengpässen in der Praxis aus? Dr. Sax: „Sehr vielfältig mit stundenlangem Telefonieren, Nachfragen beim Großhandel und bei Herstellern, ärztlich abgestimmtes Aufbieten von Alternativen, die therapeutisch identisch oder vergleichbar sind, Einzelimporte aus dem Ausland oder Eigenherstellung.“ All das sei extrem zeitaufwändig und nicht immer von Erfolg gekrönt. „Und dennoch ziehen wir täglich alle Register, um die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten zu gewährleisten“, betont der 47-Jährige. „Ich habe einen Patienten, der ist zum Beispiel nierentransplantiert, hat also eine vehemente Niereninsuffizienz und neigt zu Übersäuerung. Seine Arzneimittel importiere ich inzwischen aus Österreich, damit er bei Lieferschwierigkeiten nicht auf der Intensivstation landet“, berichtet der dreifache Familienvater. Diese Aussage bestätigt auch eine Umfrage bei Apothekerinnen und Apothekern im Krankenhaus, die angaben, dass fast 40 Prozent der Arzneimittelengpässe eine lebenswichtige Therapie von Patientinnen und Patienten in der Vergangenheit nicht erlaubt oder zumindest verzögert hätte. Und es seien ja nicht nur die Medikamente, die nicht verfügbar sind, auch Zellulose, Steril-Glas, Ampullen, Papier, also die Umverpackungen für Arzneien haben Lieferprobleme. Das komme „on top“ noch dazu, so Sax. Kann all das im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Dauerbaustelle „Lieferengpass“ zu einem Versorgungsengpass wird? Dr. Michael Sax: „Diese Sorge ist berechtigt!“.

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