So viel wie nötig, so wenig wie möglich!

Apotheker Michael Dickmeis über Arzneimittel und Nahrungsergänzung in Schwangerschaft und Stillzeit

0

„Viele schwangere und stillende Frauen sind verunsichert, wenn es um die Einnahme von Medikamenten geht“, berichtet die Techniker Krankenkasse¹. „Einerseits können Medikamente für riskanter gehalten werden, als sie tatsächlich sind. (…) Andererseits kann eine Anwendung eines risikobehafteten Medikaments (…) Gefahren für die Schwangerschaft oder das Ungeborene bedeuten.“ Das bestätigt auch Apotheker Michael Dickmeis, Inhaber der Sonnenapotheke in Würzburg.

„Jede Situation ist anders. Das Wichtigste ist die individuelle Beratung durch einen Arzt oder Apotheker.“ Schwangere und Stillende bräuchten definitiv Folsäure und Jod. Der tägliche Jodbedarf läge im ersten Drittel bei 100 bis 150 Mikrogramm, der Folsäurebedarf bei 400 bis 800 Mikrogramm. Der Grund: „Wir sind Jodmangel-Gebiet“, so Dickmeis. Es sei ein wichtiges Mineral, da es für eine gesunde Entwicklung der kindlichen Schilddrüse sorge. „Auch Folsäure ist essenziell. Ein niedriger Folsäure-Spiegel der Mutter kann zur Spina bifida (offenem Rücken) beim Kind führen.“ Vorsicht sei bei der Antibabypille geboten. „Wer sie über Jahre genommen hat und dann absetzt, hat von Haus aus einen zu niedrigen Folsäure-Spiegel und muss zuführen.“ Jod wie auch Folsäure würden über die gesamte Schwangerschaft, „gerne auch während der Stillzeit“, eingenommen. Jod sei sinnvoll, Folsäure schade nicht.

Foto: Michael Dickmeis ©Nicole Oppelt

Ob eine Versorgung mit der langkettigen Omega-3-Fettsäure DHA in der Schwangerschaft sein müsse, werde diskutiert. „Das kann man auch durch Seefisch zuführen, wenn er zweimal pro Woche auf dem Speiseplan steht. Wer keinen Fisch ist, sollte eventuell ergänzen, da sie für die geistige Entwicklung des Kindes wichtig sind“, so der Fachmann. Beim Vitamin A sei der Fall aber klar². „Eine übermäßige Zufuhr hat ein teratogenes Risiko. Es kann zu Fehlbildungen an Herz, Gefäßsystem und Zentralnervensystem führen.“ Grundsätzlich gilt: „Die Finger lassen sollte man von allem, wovon man nicht genau weiß, was drin ist und was es bewirkt“, warnt Dickmeis. Das gelte nicht nur für Medikamente. „Auch Nahrungsergänzung ist etwas, was nicht kritiklos konsumiert werden sollte.“

Und wie steht es mit Arzneien? „So viel wie nötig und so wenig wie möglich“, beschreibt der Apotheker die Grundregel. Beispiel Kopfschmerzen: Bei normalen, auszuhaltenden Schmerzen rät er zu Entspannungsübungen, Magnesium, Pfefferminzöl oder Schüßler Salz Nr. 7. Schränkt der Schmerz stark ein, „spricht nichts gegen ein sinnvoll dosiertes Schmerzmittel“. Hierzu seien ASS, Ibuprofen und Paracetamol geeignet. „Allerdings sollten ASS und Ibuprofen nur im ersten Drittel der Schwangerschaft

genommen werden.“ Ibuprofen könnte später in höherer Dosis die Fruchtwassermenge verringern. ASS könne ab der 28. Schwangerschaftswoche den Ductus arteriosus schließen. Er dient dem Baby im Mutterleib als Kurzschlussverbindung zwischen der Hauptschlagader und der Lungenschlagader. Vorsicht geboten sei bei pflanzlichen Arzneien. „In der Schwangerschaft wird versucht, möglichst mit Mono-Arzneimitteln, also mit nur einem Wirkstoff zu arbeiten. Pflanzliche Präparate haben zum Teil aber mehrere hundert Inhaltsstoffe. Hier gibt es keine Studien oder Erfahrungswerte“, so der Experte. Sein Appell lautet: „Aus Angst etwas auszusitzen, ist die falsche Strategie.“ Für fast alle Krankheiten gebe es geeignete Mittel. Oft seien das uralte Präparate, von denen es eine gute Datenlage und Erfahrungswerte gebe.

Quelle:
¹https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/schwangerschaft-und-geburt/sind-medikamente-problematisch-2009496
²https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2014/daz-40-2014/gut-versorgt-naehrstoffsupplemente-in-der-schwangerschaft

Share.