Sie haben einen Vogel…

Sprachwissenschaftler Dr. Norbert Wolf erklärt Sprichwörter rund um die Gesundheit

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Der ehemalige Professor am Institut für Deutsche Philologie Dr. Dr. h.c. mult. Norbert Richard Wolf pflegt durch zahlreiche Projekte einen Unruhestand, da ihn die Leidenschaft für Sprache einfach nicht loslässt. Foto: Pat Christ

Der ehemalige Professor am Institut für Deutsche
Philologie Dr. Dr. h.c. mult. Norbert Richard Wolf pflegt
durch zahlreiche Projekte einen Unruhestand, da ihn
die Leidenschaft für Sprache einfach nicht loslässt. Foto: Pat Christ

„Lachen ist die beste Medizin“, sagt der Volksmund, „Sauer macht lustig“ und „Trocken Brot die Wangen rot“. Etliche Sprichwörter kreisen um die Gesundheit kreisen oder zielen auf menschliche Organe ab.

Für Dr. Norbert Richard Wolf, emeritierter Germanistikprofessor der Uni Würzburg, ist dies nicht verwunderlich: „Die Gesundheit ist nun einmal etwas Wichtiges für Menschen.“ Das schlägt sich sprachlich nieder.

Sicher halten die Sprichwörter keiner wissenschaftlichen Prüfung stand. Dennoch steckt in ihnen ein Kern Wahrheit sowie eine Menge Alltagsweisheit. So hat auch der Spruch vom Lachen als beste Medizin Wolf zufolge seine Berechtigung: „Man fühlt sich nun einmal wohler, wenn man guter Laune ist.“

Bei manchen Gesundheitssprichwörtern allerdings geht es vor allem um die Lust an der Sprache. Das betrifft das „trocken Brot“, das die Wangen rot macht, so der Philologe: „Das Wichtigste ist hier der Reim.“ Wobei auch dieser Spruch nicht frei von Weisheit ist: „Dahinter steckt die Erfahrung, dass es ungesund ist, stets im Überfluss zu leben.“

Nicht selten wandelte sich im Laufe der Zeit der Sinn eines Gesundheitsspruchs. Das betrifft etwa: „Sauer macht lustig“, eine Aussage, die man gern verwendet, wenn man Wege sucht, den Kater zu vertreiben. Das „lustig“ bezieht sich laut Wolf in diesem Fall aber nicht auf fröhliche Lustigkeit: „Sondern es geht um die Lust, etwas zu tun.“ So kann Saures als Vorspeise Lust auf den Hauptgang machen.

Viele Sprichwörter haben einen kulturgeschichtlichen Hintergrund. Dazu gehört die psychohygienische Regel: „Morgenstund hat Gold im Mund.“ Auch sie lebt noch, obwohl man heute weiß, dass jeder Mensch seinen eigenen Biorhythmus hat. „Aber einst mussten die Leute früh raus“, so Wolf. Elektrisches Licht gab es nicht. Was man tagsüber nicht geschafft bekam, blieb unerledigt und zahlte sich nicht in barer Münze aus.

Interessant ist auch, dass es manche Maläsen im Laufe der Zeit schafften, zur Redewendung zu werden. Ein Mensch, der sich ärgert, ist etwa „verschnupft“. Spannend ist weiter, dass Gefühle oft dadurch ausgedrückt werden, dass man sie körperlich lokalisiert, so der Sprachforscher: „Man spricht vom ‚Kloß im Hals’ oder den ‚Schmetterlingen im Bauch’.“

Die Redewendung vom „Vogel“, den ein Mensch mit aberwitziger Idee hat, geht laut Wolf direkt auf eine frühere Vorstellung zurück: „Man dachte wirklich, dass im Kopf eines Verrückten ein Vogel wohnt.“ Auch gab es einst tatsächlich Quacksalber, die, zaubertrickreich, Kopfschmerzpatienten heilten, indem sie „Würmer“ aus der Nase zogen.

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